Fussball

Diskussionen ohne Denkverbote

Fußball Mit der ersten Regionalkonferenz läutet der WFV den nächsten Schritt auf dem Weg zur Strukturreform ein.

Amateurfußball als Straßenfeger: Um auch künftig Zuschauer auf die lokalen Plätze zu locken, feilt der WFV an der Struktur. Symb
Amateurfußball als Straßenfeger: Um auch künftig Zuschauer auf die lokalen Plätze zu locken, feilt der WFV an der Struktur. Symbolbild: Markus Brändli

Esslingen. Der Württembergische Fußballverband (WFV) macht ernst. Um bis zum nächsten Verbandstag einen verabschiedungsreifen Antrag zur geplanten Strukturreform vorlegen zu können, versuchen sich die WFV-Verantwortlichen an der Basis ein breites Meinungsbild zu verschaffen. Tabus gibt es nicht, Denkverbote sind ausdrücklich nicht erwünscht.

Bei der ersten von vier Regionalkonferenzen im Vereinsheim der TSG Esslingen gab es schon interessante Ansätze. Dafür sorgten auch die rund 70 Teilnehmer von Vereinen aus den Bezirken Neckar-Fils, Donau-Iller, Stuttgart und Ostwürttemberg, die auf den Zollberg gekommen waren, um erste Ideen und Vorstellungen in die Diskussion mit WFV-Vizepräsident Steffen Jäger und Harald Müller, dem Verbandsspielausschuss-Vorsitzenden, einzubringen. Jäger und Müller leiten die „Kommission Verbandsstruktur“, die vom Verbandstag im vergangenen Mai damit beauftragt worden war, alle Bereiche im württembergischen Fußball auf den Prüfstand zu stellen. Ziel ist es, den Delegierten beim nächsten Verbandstag am 8. Mai 2021 einen Antrag vorzulegen, um den Verband und seine Vereine für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen.

Jeder kann Vorschläge machen

Um ein möglichst breites Meinungsspektrum zu bekommen, hat der WFV eine Online-Beteiligungsplattform unter dem Titel „Zukunft WFV“ eingerichtet. Diese richtet sich an Vereinsvertreter, Spieler, Trainer, ehrenamtliche Vereins- und Bezirksmitarbeiter. Jeder kann sich in die Diskussion einbringen: Eigene Anregungen und Vorschläge formulieren, Begründungen und Argumente für bereits bestehende Thesen liefern und Bewertungen mit Hilfe eines Meinungsbarometers abgeben.

„Unter ,Zukunft WFV‘ findet keine verbindliche Urabstimmung aller Teilnehmer statt“, sagt Heiner Baumeister, Abteilungsleiter Kommunikation beim WFV. „Ziel der breiten Meinungsbildung ist vielmehr ein offener Dialog zur konstruktiven Beratung der Kommission, um Vorschläge auf einer möglichst breiten Basis zu erarbeiten.“ Während der zweijährigen Projektphase werde die Plattform laufend aktualisiert und mit neuen Erkenntnissen, insbesondere aus den Regionalkonferenzen, ergänzt. „Es gibt kein richtig und kein falsch“, machte Baumeister den Vereinsvertretern Mut, sich intensiv mit einzubringen.

„Es ist das erste Mal, dass wir so etwas machen, und wir sind schon gespannt, wie das Ganze ankommt“, verlieh Baumeister seinen Hoffnungen auf eine rege Diskussionsteilnahme Ausdruck. Er wurde nicht enttäuscht. Für Martin Hägele vom FC Esslingen ist es beispielsweise die größte Herausforderung, dass der Nachwuchs nach 13 Jahren in der Jugend bei der Stange bleibt. „80 Prozent kommen doch gar nicht bei den Aktiven an“, mahnte er, „wenn das so bleibt, müssen wir uns über den künftigen Spielbetrieb gar keine Gedanken mehr machen.“ Seine Forderung: An der großen Basis, auf Kreisstaffel-Ebene, sollen alle Spieler, die dabei sind, zum Einsatz kommen - ohne reglementiertes Auswechselkontingent. „Wir müssen das Angebot optimieren, damit die Jugendlichen trotz sich verändernder Interessen dabeibleiben“, pflichtete Jäger bei.

Andreas Herbst vom FV 09 Nürtingen hat viele Klagen von A- und B-Jugendlichen, aber auch von Aktiven gehört. Immer weniger Spieler wollen monatelang Sonntag für Sonntag ihre Freizeit opfern. Er regte an, wie bei den jüngsten Jahrgängen der Jugend komprimierte Spieltage einzuführen. Herbst beklagte auch die ständig zunehmenden administrativen Aufgaben für die ehrenamtlichen Mitarbeiter in den Vereinen. Obwohl der FV 09 nur noch etwa die Hälfte der Nachwuchsmannschaften habe wie vor 20 Jahren, benötige man eine Teilzeitkraft auf 450-Euro-Basis.

Lothar Mahling vom VfB Reichenbach forderte mehr Solidarität von den Profis ein und vom Verband, sich gegenüber den Profivereinen stärker für die Belange der Amateure einzusetzen. Denn auch die bräuchten immer mehr Geld für ihre ehrenamtlichen Aufgaben.

Viele weitere Punkte wurden angesprochen, auch die der geografischen Grenzen. Eine Mehrheit zeigte sich für Veränderungen aufgeschlossen und sprach sich dafür aus, nicht an traditionellen Gebietsfestlegungen festzuhalten.

WFV-Vize Steffen Jäger hofft nun, dass alle, unabhängig von den Standpunkten, respektvoll miteinander umgehen. „Dann kommt auch was raus“, ist er überzeugt. Im dritten oder vierten Quartal wird die zweite Regionalkonferenz stattfinden. Uwe Bauer

Im Internet kann sich jeder an Diskussionen zur Strukturreform beteiligen, über Thesen abstimmen und eigene Vorschläge einbringen. Zudem werden Projektphasen dargestellt sowie die Arbeit der „Kommission Verbandsstruktur“ veranschaulicht. Mehr Infos gibt es unter www.zukunftwfv.de