Fussball

Kopfballtraining für Kinder sorgt für Diskussionen

Fußball In Großbritannien sind Kopfballübungen für Grundschüler wegen der Gefahr von Hirnverletzungen verboten worden. In Deutschland gibt es nur Empfehlungen. Von Peter Eidemüller

Mit Köpfchen, oder vorsichtshalber lieber doch nicht? So mutig wie der siebenjährige Leo vom TSV Ötlingen gehen nicht viele Kind
Mit Köpfchen, oder vorsichtshalber lieber doch nicht? So mutig wie der siebenjährige Leo vom TSV Ötlingen gehen nicht viele Kinder beim Kopfballspiel zu Werke. Foto: Markus Brändli

Augen zu und durch: Als der Ball angeflogen kommt, hält Leo tapfer den Kopf hin. „Der war ganz gut“, lacht der Siebenjährige über seinen Kopfballversuch, rubbelt sich die Stirn und rennt weiter - schließlich will er noch viele Tore schießen. So wie die rund 15 anderen F-Jugend-Kicker, die sich bei strömendem Regen im Training des TSV Ötlingen auf dem Kunstrasenplatz im Rübholz tummeln.

Leos Kopfballeinlage war zufällig entstanden, gezielt trainiert wird das noch nicht. „In diesem Alter verzichten wir darauf“, erklärt Mark Schad, einer von zwei Trainern der Ötlinger U9, „das wird bei uns erst ab der C-Jugend gemacht.“ Beim TSVÖ folgt man damit den Empfehlungen des Deutschen Fußballbunds (DFB), nach denen Kopfbälle erst ab 13 Jahren trainiert werden sollen. Vorgaben für Jüngere gibt es nicht.

Andere Länder sind da rigoroser. In Großbritannien haben drei Verbände vergangene Woche Kopfballübungen für Kinder im Grundschulalter wegen der Gefahr von Hirnverletzungen verboten (siehe Infoartikel), in den USA wurde deswegen bereits 2015 ein Kopfballverbot für Kinder bis zum elften Lebensjahr verhängt.

Dass man hierzulande diesen Beispielen folgen und Kopfbälle aus dem Trainingsbetrieb im Jugendbereich verbannen sollte, ist auf Verbandsebene kein Thema. „In Württemberg gibt es keine spezielle Haltung dazu“, sagt WFV-Sprecher Heiner Baumeis­ter, der auf die vom DFB vorgegebenen Tipps für dosiertes Training verweist: So sollen beispielsweise Bambini mit Luftballons und F-Junioren mit weichen Plastikbällen ans Kopfballspiel herangeführt werden - freiwillig, ein Verbot ist demnach kein Thema. „Das kann ohnehin nur der DFB entscheiden“, betont Bezirksjugendleiter Torsten Krautz, der einer strengen Regelung skeptisch gegenübersteht: „Kinder machen Kopfbälle instinktiv, zumal die ja auch zu dem Sport gehören.“

Experten kommen in diesem Zusammenhang zu dem Schluss, dass die Gesundheitsrisiken für den Kopf bei Fußball spielenden Kindern woanders lägen. „Hauptverursacher von Gehirnerschütterungen ist der Kontakt mit einer Oberfläche wie dem Hallenboden, der Hallenwand oder dem Gras“, erklärt die schweizer Neurologin Dr. Nina Feddermann-Demont, die vor dem Hintergrund einer fundierten fußballerischen Ausbildung wenig von einem Verbot hält: „Wenn ich bis zum Alter von elf Jahren das Kopfballspiel unterbinde, wird es danach viel schwieriger, eine erfolgreiche Kopfballtechnik zu erlernen.“

So wenig Training wie möglich

Beim TSV Weilheim, mit 14 Jugendmannschaften eine der größten Nachwuchsschmieden in der Region, werden die Trainer bereits seit Jahren entsprechend geschult. „Wir empfehlen so wenig Kopfballtraining wie möglich, aber so viel wie nötig“, sagt Jugendleiter Richard Reisenauer, der für einen altersgerechten Umgang wirbt. „Solange Kopfbälle zum Fußball gehören, muss man die Kinder auch darauf vorbereiten“, sagt er, „denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“

Ähnlich sieht man es beim TSV Ötlingen, wo man sich kommende Woche im Rahmen einer Jugendtrainersitzung mit dem Thema befassen will, um die Beteilig­ten nochmals zu sensibilisieren. „Die Diskussion um die Gefahren von Kopfbällen wird gerne totgeschwiegen“, weiß TSVÖ-Jugendleiter Peter Bestenlehner, der die Umsetzung eines möglichen Kopfballverbots im Trainingsalltag allerdings für schwer umsetzbar hält: „Wer soll das denn kontrollieren?“

Dem kleinen Leo dürfte es egal sein - er wird auch beim nächs­ten Mal tapfer den Kopf hinhalten, wenn ein Ball angeflogen kommt.

Von Alzheimer bis Augenbeweglichkeit

Mit dem Verbot von Kopfballtraining für Kinder im Grundschulalter reagieren die Fußballverbände in England, Schottland und Nordirland auf eine Studie im Auftrag des englischen Fußballverbands, nach der Fußballer im Vergleich zur britischen Gesamtbevölkerung dreieinhalb Mal so häufig an einer degenerativen Hirnerkrankung sterben - vereinfacht ausgedrückt: Kopfbälle sollen Demenz und Alzheimer fördern.

Ob Kopfbälle tatsächlich der alleinige Grund dafür sind, ist jedoch umstritten. Kritiker bemängeln, dass bei der Studie soziokulturelle Faktoren wie Alkoholkonsum, Medikamenteneinnahme oder ungesunde Ernährung keine Rolle gespielt hätten.

Kurzfristige Folgen von Kopfbällen sind unabhängig davon für die Augen nachgewiesen worden. Eine Studie der Universität von Indianapolis hat festgestellt, dass bereits zehn Kopfbälle vorübergehende Störungen der Augenbeweglichkeit auslösen können. pet