Handball

Als wäre nichts gewesen

Handball Andere Spielklasse, die gleichen Mittel: Aufsteiger VfL Kirchheim ist mit viel Tempo und einer variablen Abwehr auch in der Landesliga erfolgreich. Von Bernd Köble

Martin Rudolph und der VfL - ein Aufsteiger ohne Anlaufschwierigkeiten in der Handball-Landesliga.Foto: Markus Brändli
Martin Rudolph und der VfL - ein Aufsteiger ohne Anlaufschwierigkeiten in der Handball-Landesliga.Foto: Markus Brändli

Je hochwertiger ein Wein, desto größer sein Lagerpotenzial. Dass man auch mit Sorgfalt ausgebaute Handball-Torhüter nach vielen Jahren aus dem Keller holen und Freude daran haben kann, kommt seltener vor. Am knappen Pokalerfolg der VfL-Handballer vor zwei Wochen in Köngen jedenfalls hatte ein 47-Jähriger bemerkenswert viel Anteil.

Uwe Hamanns überraschendes Comeback markiert die derzeit vielleicht einzige Problemzone beim Landesliga-Aufsteiger VfL Kirchheim. Der Abteilungschef und einstige Landesliga-Keeper ist mit dem 18-jährigen A-Jugendlichen Steffen Kruschina die Antwort auf den wochenlangen Fachkräftemangel zwischen den Pfosten beim VfL. Inzwischen hat sich die Lage im Kirchheimer Mehrgenerationen-Gehäuse merklich entspannt. Der vermeintliche Meniskusschaden von Stammtorhüter Oliver Latzel hat sich als abklingende Entzündung entpuppt, mit David Pisch und Neuverpflichtung Kevin Hsu vom Landesligameister HSG Ostfildern sind die Kirchheimer auf der Torhüterposition wieder zu dritt.

Der Bilanz hat die prekäre Lage nicht geschadet. Vier Spiele, drei Siege, Platz vier. Der VfL bestätigt, was seine führenden Köpfe vor Saisonbeginn auffallend selbstbewusst prophezeit hatten: Der neue Anzug passt, der Aufsteiger steckt das Höhenklima locker weg, von Abstiegskampf redet keiner. Dass Engelbert Eisenbeil in seinem sechsten Jahr als Trainer im Ton moderater geworden ist, hat nichts mit Zweifeln zu tun. Während der Coach vom Erreichen der 20-Punkte-Marke als primärem Ziel spricht und damit die Rettungslinie meint, spricht sein Co-Trainer Uwe Hamann von „Tabellenplatz fünf plus“. Drei Spiele noch, meint Eisenbeil, dann lasse sich ein erstes seriöses Fazit ziehen. Nach dem Heimspiel am Samstag gegen den Tabellenneunten aus Bettringen warten mit Biberach und Lauterstein zwei schwere Auswärtsspiele gegen bekannt heimstarke Gegner an der Spitze. „Das wird ein Signal sein“, sagt Eisenbeil. „Danach wissen wir, wo wir stehen.“

Gut steht der VfL vor allem hinten. Die Abwehr - Prunkstück der vergangenen Saison - genügt zurzeit auch höchsten Landesliga-Ansprüchen. Hinten stabil, nach vorne mit viel Tempo - dieses schnelle Umschalten hat bisher erst einmal nicht gut funktioniert: Beim 23:28 in Vöhringen handelten sich die Kirchheimer durch viele Unkonzentriertheiten einen frühen und letztlich spielentscheidenden Rückstand ein. Die Reaktion kam prompt, mit zwei deutlichen Erfolgen gegen Söflingen und das Tabellenschlusslicht aus Ravensburg. Dabei zeigt der VfL durchaus noch Reifepotenzial. „Saisonarbeiter“ Jonas Hesener, der aus Studiengründen aus der Oberliga Mittelrhein nach Kirchheim gewechselt ist, stand am Samstag in Ravensburg erstmals auf Halblinks in der Startformation und bedankte sich mit drei Treffern und viel Dynamik fürs Vertrauen. Als Rohjuwel im Rückraum gilt auch Thimo Böck. Dem 20-jährigen Eigengewächs fehlt nach einer Afrika-Reise im Sommer und einem deutlichen Gewichtsverlust sichtbar Substanz. „Er braucht noch zwei bis drei Wochen“, meint sein Trainer. Gegen Söflingens „Zweite“ glänzte Böck immerhin bereits als fünffacher Torschütze.

Andere haben längst bewiesen, dass man auf sie zählen kann: Mit Robin Habermeier, der nach vier Spielen bereits 31 Treffer auf dem Konto hat, und Julian Mikolaj, Toptorschütze mit 15 Einschlägen gegen Ravensburg, hat der VfL auch individuell viel Klasse zu bieten. Die lässt in Kirchheim allein das Publikum vermissen. Der Zuschauerschnitt liegt bisher deutlich unter dem der Vorsaison. Warum das so ist, weiß keiner.