Handball

„Es reicht nicht, Banner für Fair Play aufzuhängen“

Interview Schiedsrichter brauchen mehr Rückhalt in den Handballvereinen, meint Bezirksspielleiter Roland Dotschkal.

Kirchheim. Hinter der schwindenden Bereitschaft, sich als Schiedsrichter zu engagieren, steckt ein gesellschaftliches Problem, meint Roland Dotschkal. Der Leiter Spieltechnik im Handballbezirk Esslingen-Teck erlebt immer wieder, dass der Umgangston in den Hallen rauer wird.

Herr Dotschkal, dem Amateur-Handballsport gehen die Schiedsrichter aus. Woran liegt das?

Roland Dotschkal: Ich meine, wir haben in diesem Bereich ein Strukturproblem. Die bis 20-Jährigen machen den Job überwiegend wegen des Geldes. Gehen sie in Studium oder Beruf hören die meisten auf. Die über 50-Jährigen sind häufig dabei, weil sie den Absprung nicht rechtzeitig geschafft haben, und die Altersklasse der 30- bis 45-Jährigen erreichen wir überhaupt nicht.

Aus welchem Grund?

Es gibt wohl mehrere Gründe dafür, ein ganz wesentlicher ist aber sicher das vergiftete Klima in manchen Hallen. Verbale Angriffe, Anfeindungen und Pöbeleien sind vielerorts inzwischen völlig normal bei den Spielen. Das gilt für alle Beteiligte: Spieler, Trainer, Funktionäre und Zuschauer auf der Tribüne.

Das Problem ist schon lange bekannt, nicht nur im Handballsport. Warum geschieht nichts?

Das ist genau die Frage, die wir uns stellen müssen. Es ist nicht damit getan, in der Halle Banner für Fair Play aufzuhängen, den Flyer zur Blauen Karte am Eingang zu hinterlegen oder im Hallenheft für das Amt des Schiedsrichters zu werben. Solange wir zulassen, dass Schiris als Freiwild gelten, die man mit allem, was der Wortschatz hergibt traktieren und beleidigen kann, solange brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn es heißt: Das tue ich mir am Wochenende nicht mehr an, da höre ich lieber auf zu pfeifen. Wir Funktionäre schaffen es offenbar nicht, Schiris das Gefühl zu vermitteln, dass wir geschlossen hinter ihnen stehen.

Was also muss sich ändern?

Es gibt inzwischen schon ein paar Änderungen, die nützlich sind. Schiedsrichter bekommen Fragebogen an die Hand, in denen sie ihre Erfahrungen und ihre Gefühlslage festhalten können. Seit dieser Saison sind Vereine zudem verpflichtet, das Entgelt in der Umkleidekabine auszuzahlen und nicht mehr wie bisher am Tresen in der Halle, was für manche Unparteiische bei aufgeheizter Stimmung einem Spießrutenlauf gleichkam. Viel wichtiger ist aber: Bei Fehlverhalten gegenüber Schiris braucht es klare Worte, klare Kante „Face to Face.“ Wenn ich etwas durchsetzen möchte, reicht es nicht, das am Schwarzen Brett zu veröffentlichen. Ich muss die Person direkt ansprechen. Vereinsfunktionäre kennen in der Regel ihre Pappenheimer. Wer sich bei einem Spiel verbale Entgleisungen leistet, muss wissen, er fliegt gegebenenfalls aus der Halle. Jeder Verein übt ein Hausrecht aus, von dem er Gebrauch machen kann. Dies in der Praxis umzusetzen, ist am Anfang sicher nicht einfach. Ich bin mir aber sicher, dass es auf Dauer Wirkung zeigen wird. Nichts gegen überschäumende Freude, nichts gegen Emotionen, solange es nicht unter die Gürtellinie geht.

Welche Rolle spielt der Verband?

Es gibt eine ziemliche Diskrepanz zwischen Ist und Soll bei den Schiedsrichterzahlen. Im HVW eilt man deshalb seit Jahren von einer Werbeaktion zur nächsten, ohne auch nur einen einzigen nachhaltigen Erfolg vorweisen zu können. Auszubaden haben dies letztlich die Bezirke als schwächstes Glied der Kette, aus denen der Verband seine Schiedsrichter rekrutiert. Die Frage, die sich mir an diesem Punkt stellt: Haben wir in den vergangenen Jahren mit aller Konsequenz und Ernsthaftigkeit versucht, die Ursachen des Problems zu erforschen? Ich meine, nein.Bernd Köble