Handball

Falscher Zeitpunkt für Visionen

Handball Nach nur einem Jahr trennen sich die Wege von Enrico Wackershauser und der HSG OLE wieder. Corona ist ein Grund, aber nicht der einzige. Von Bernd Köble

Enrico Wackershauser beendet sein Engagement als Jugendkoordinator bei der HSG Owen/Lenningen  nach nur einem Jahr wieder. Der J
Enrico Wackershauser beendet sein Engagement als Jugendkoordinator bei der HSG Owen/Lenningen nach nur einem Jahr wieder. Der Job bleibt vorerst unbesetzt.Foto: Carsten Riedl

Seinem Tempo zu folgen, war schon immer schwer. Als Gegenspieler auf dem Feld, als Mannschaft, die auf seine Stimme als Trainer hört, oder als Vereinsfunktionär, der lernt, warum man der Zukunft zuliebe gelegentlich mit Traditionen brechen muss. Als Enrico Wackershauser und die gerade neu gegründete HSG Owen/Lenningen im Frühsommer vergangenen Jahres ihre Zusammenarbeit im Nachwuchsbereich verkündeten, war die Hoffnung auf beiden Seiten groß. Der Handball-Fachmann mit dem Hang zum Unkonventionellen und die Spielgemeinschaft auf dem Weg zu neuen Ufern - das sollte passen. Inzwischen ist klar: Es passt nicht. Zumindest nicht jetzt.

Anfang der Woche haben beide Seiten die einvernehmliche Trennung bekannt gegeben. Eine Entscheidung, die offenbar schon Ende Juli gefallen ist. Man habe die Jugendtrainer persönlich darüber informieren wollen, nennt Abteilungsleiterin Janina Roth den Grund. Das erste Treffen fand wegen Corona erst jetzt statt. Die Stelle des Nachwuchskoordinators soll bei der HSG nun vorerst verwaist bleiben. Ob sie überhaupt - und falls ja, in welcher Form - neu besetzt wird, ist völlig offen.

Job ist Schlüsselposten

Natürlich geht es auch um Geld.Der Job im Fusionsverein mit sieben aktiven und 13 Jugendmannschaften ist ein Schlüsselposten und viel zu wichtig, um ihn ans Ehrenamt zu ketten. Wackershauser verdient seine Brötchen inzwischen unter anderem mit Coaching-Seminaren. Er kalkuliert damit, dass der Mehrwert das Investierte locker aufwiegt. Wäre da nicht Corona. Startet die Handballsaison wie geplant am 10. Oktober, frisst der Spielbetrieb Geld. Gleichzeitig haben die Vereine nur einen Bruchteil ihrer Zuschauereinnahmen zu erwarten, weil - wie vom Land jetzt klargestellt - maximal ein Fünftel der verfügbaren Plätze belegt sein dürfen. „Das ist ein Problem, und war wohl mit ein Grund,“ meint Bruno Rieke, einer der Dienstältesten in Vereinsfunktion, der zurzeit die männliche A-Jugend trainiert, und den mit Wackershauser seit ihrer gemeinsamen Zeit beim VfL Kirchheim eine enge Freundschaft verbindet.

Janina Roth hingegen dementiert, dass finanzielle Erwägungen eine Rolle gespielt hätten. Wie Wackershauser seinen Job interpretiert, deckt sich offenbar nicht mit den Vorstellungen, die der Verein an einen Jugendkoordinator knüpft. Da geht es vor allem um sportliche Inhalte. Roth formuliert es so: „Jemand, der den Nachwuchstrainern einen durchgängigen Leitfaden an die Hand gibt.“ Wackershausers Definition indes geht weit darüber hinaus. Er sieht sich als Visionär, als Netzwerker, Psychologe und Wertevermittler. Einer, der neue Wege zum langfristigen Erfolg aufzeigen will und dafür ungewöhnliche Umwege akzeptiert. Dass er seine Mitstreiter dabei nicht selten überfordert, nimmt er in Kauf. „Wir haben Aufgaben vielleicht nicht klar genug definiert,“ räumt der 63-Jährige ein. „Das war sicher ein Fehler.“ Das Ganze also nur ein großes Missverständnis? Nicht ganz. Die Tür ist nicht zu. „Wenn sich die Lage ändern sollte und mein Rat gefragt ist, bin ich gerne bereit.“ Das sieht auch die Vereinsspitze so. Janina Roth meint: „Ich könnte mir gut vorstellen, Rico für Einzelprojekte zu gewinnen. Wir sind eine junge Spielgemeinschaft und ein junges Führungsgremium, das im Moment noch viel mit Basisarbeit beschäftigt ist,“, sagt sie. „Für das, was Rico sich vorstellt, sind wir einfach noch nicht so weit.“