Handball

Jetzt hat auch der Handball seinen Sündenfall

Eklat In der Halle in Neckartenzlingen rastet ein Trainer aus und zwingt dabei den Unparteiischen in die Bodenlage. Von Bernd Köble

Symbolbild
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Fast kein Monat vergeht ohne neue Meldungen über Ausschreitungen auf oder am Rande von Spielfeldern. Bisher waren es vor allem die Niederungen des Amateurfußballs, wo Schiedsrichter beschimpft, bedroht und attackiert wurden. Jetzt hat auch der Handballsport seinen Sündenfall. Tief gesunken, wo es aus sportlicher Sicht sehr viel tiefer eigentlich gar nicht mehr geht: in der Kreisliga B. Im Spiel der Staffel 1 zwischen den zweiten Mannschaften des TSV Neckartenzlingen und der SG Lenningen waren am vergangenen Samstagnachmittag in der Richard-Hirschmann-Halle am Neckar knapp 40 Minuten gespielt. Die klar überlegenen Gäste aus Lenningen führten gegen ein blutjunges Gastgeberteam mit 19:11, das Spiel war zu diesem Zeitpunkt eigentlich längst entschieden.

Die Szene, die sich dann abspielte, wird auch im Handballverband Württemberg (HVW) inzwischen als Novum betrachtet. Während einer gegnerischen Auszeit kam es zum Wortgefecht zwischen dem 18-jährigen Unparteiischen aus Vaihingen und dem Trainer der Gastgeber, der zuvor bereits die Gelbe Karte gesehen hatte. Noch ehe der Schiedsrichter Rot zücken konnte, wurde er von dem 51-Jährigen attackiert und zu Boden gerissen. Im Bericht des Unparteiischen ist von einem Schlag ins Gesicht die Rede. Der Beschuldigte selbst beteuert, er habe dem Referee nur seine Pfeife abnehmen wollen. Nachdem Spieler beider Mannschaften eingeschritten waren und den Aggressor aus der Halle geführt hatten, lief das Spiel weiter, als wäre nichts geschehen. Der Tabellenzweite aus Lenningen ging am Ende mit 33:17 als der erwartete Sieger vom Platz.

Ein ungewöhnlicher Fall. Nicht nur weil er im regionalen Handball bisher einzigartig ist, wie Peter Schurig, zuständiger Mann beim Bezirkssportgericht bestätigt: „Ich mache den Job seit 26 Jahren“, sagt er. „Einen solchen Fall gab es bisher noch nie.“ Ungewöhnlich auch deshalb, weil es sich bei dem 51-jährigen Trainer um einen unbescholtenen Familienvater handelt, der seit zwei Jahrzehnten im Verein hoch geschätzt ist und zudem als äußerst besonnen gilt. Das bestätigt auch Lenningens Trainer Uli von Petersenn, der sich eine Stunde nach dem Spiel mit seinem Kollegen unterhielt. Der habe dabei ehrlich betroffen gewirkt und sich das Ganze nicht erklären können, sagt Petersenn. „Er war sich auch völlig im Klaren, welche Folgen das haben wird.“

Betroffen ist man auch in der Handballabteilung des TSV Neckartenzlingen, wo Negativ-Schlagzeilen wie diese im Moment besonders hart einschlagen. Beim TSV ist man gerade dabei, mit einer Vielzahl von Jugendmannschaften die Früchte jahrelanger Aufbauarbeit zu ernten. „Der Vorfall trifft uns natürlich schwer“, sagt Abteilungsleiter Jörg Walter. Trotzdem, so findet Walter, müsse man in der Sache Augenmaß bewahren. „Unser Trainer ist einsichtig, er hat sich in der Kabine entschuldigt, und es wurde niemand verletzt.“ Walter selbst schickte im Namen des Vereins ein Entschuldigungsschreiben an den Schiedsrichter hinterher. Der junge Mann vom SV Vaihingen ist erst seit Juli 2016 im Einsatz und im Oktober 18 Jahre alt geworden. Von einer Strafanzeige will er offenbar - anders als zunächst angekündigt - absehen.

Bezirk verhängt Höchststrafe

Im Bezirk und auf Verbandsebene nimmt man den Fall ernster. Das Bezirkssportgericht hat inzwischen die Höchststrafe verhängt: Zehn Spiele Sperre und 365 Euro Geldstrafe. Der TSV Neckartenzlingen hat bereits angekündigt, man werde das Urteil nicht anfechten. Damit wird die Angelegenheit automatisch zum Fall fürs Verbandsgericht. Das weitere Verfahren: offen. Der HVW behält sich demnach vor, weitergehende Sanktionen zu verhängen. „Das müssen jetzt unsere Rechtsleute entscheiden“, sagt Verbandssprecher Thomas Dieterich.

Für Stefan Denzinger, Schiedsrichterwart im Bezirk Esslingen-Teck, ist mit dem Vorfall in Neckartenzlingen eine Grenze deutlich überschritten. Er fordert drastische Strafen, meint aber auch: „Wenn jemand seinen Fehler eingesteht, sollte man den Fall nicht in höhere Instanzen tragen.“ Das eigentlich Bemerkenswerte: Der Schiedsrichter brach das Spiel danach nicht ab, sondern brachte die Partie ruhig zu Ende. „Eine Entscheidung eines 18-Jährigen, die Respekt verdient“, meint Denzinger