Handball

Reform und Zwänge

Handball Die Neueinteilung der Ligen im HVW ist beschlossene Sache. Über die Größe der Staffeln entscheidet jetzt die Frage, ob sich ein Rezept gegen den Schiedsrichtermangel findet. Von Bernd Köble

Von vielen angefeindet, von allen im Handball gebraucht: Schiedsrichter. Archiv-Foto: Jörg Bächle

Wolfgang Stoll ist eigentlich ein Teamplayer. Die graue Eminenz in der Handballabteilung des TSV Wolfschlugen hält den Laden zusammen. 19 Mannschaften sind unter dem Dach des Traditionsklubs vereint. Die Frauen könnten noch den Sprung in die dritte Liga schaffen, die zweite Männermannschaft steht als Bezirksliga-Aufsteiger bereits fest. Die Erste hatte als Zweiter in der Württembergliga lange Zeit noch Chancen auf den Titel.

Doch Stoll kann auch anders. Vor wenigen Wochen hat er in seiner Funktion als Vorsitzender des Handballbezirks Esslingen-Teck gegen die vom HVW-Präsidium beschlossene Spielklassen-Reform gestimmt. Als einziger von acht Bezirksvertretern bei der Versammlung. Stoll ist kein Querulant, vielmehr einer, der täglich vor Augen hat, was den Handball zwischen Alb und Neckar kennzeichnet: eine Leistungsdichte, die im württembergischen Handball konkurrenzlos ist.

Die Neuordnung der Spielklassen mit nur noch einer Württembergliga, zwei neuen Verbandsligen und künftig vier Landesligastaffeln halten auch Stoll und seine Mitstreiter im Bezirk im Ansatz für richtig. Dass in den Landesligen künftig nur noch zehn statt zwölf Mannschaften vertreten sein sollen, werde der Situation im handballerischen Ballungsraum allerdings nicht gerecht. „Wir spielen auf Bezirksebene schließlich auch mit Zwölferstaffeln“, begründet Stoll seine Haltung. „Die Landesligen zu verkleinern, wäre geradezu grotesk.“ Unterstützer findet er an oberster Stelle: In einem der stärksten Landesverbände seien mindestens zwölf Mannschaften in den Landesligen ein Muss, hatte HVW-Präsident Hans Artschwager nach dem Reformbeschluss Anfang April verkündet. Am 19. Mai treffen sich die Bezirksvertreter nun erneut in Stuttgart. Dann soll, was die künftigen Staffelgrößen betrifft, eine endgültige Entscheidung fallen.

Das Problem: Mehr Mannschaften bedeuten mehr Spiele. Mehr als hundert zusätzliche Partien stünden an, würde man die Landesligen um jeweils zwei Mannschaften aufstocken. Das entspricht etwa dem, was die Liga-Reform mit Zehner- staffeln an Einsparungen gebracht hätte. Befürworter müssen bis Mai nun erklären, woher die dafür nötigen Unparteiischen kommen sollen. Neben der Chance, durch eine klare Struktur-Pyramide die lästige Relegation abschaffen zu können, war die wachsende Schiedsrichternot mit ein Grund für die Reform - auch wenn das kein Funktionär offen ausspricht.

Klar ist: Für die Rekrutierung der Unparteiischen sind die Vereine in den Bezirken zuständig. Gleichzeitig sind sie es, die den Mangel als erste zu spüren bekommen. In der Kreisliga C wird schon heute manches Spiel gezwungenermaßen von Vereinskräften gepfiffen, die - zumindest im Grundsatz - vieles sind, nur eines nicht: unparteiisch. „Wir müssen liefern, das ist klar“, sagt Wolfgang Stoll und verspricht: „Wir werden hier im Bezirk unser Möglichstes tun.“

Zweifel sind erlaubt. Schließlich ist das Thema weder neu, noch hat es der Handball exklusiv. Der Mangel an Freiwilligen, die bereit sind, sich für wenig Geld am Wochenende zum Feindbild zu machen, beschäftigt alle Sportarten. Im Handballbezirk Esslingen-Teck, wo man in den vergangenen vier Jahren 680 Unparteiische verloren hat, ist es inzwischen gelungen, die Zahl der Neulinge in den Kursen fast zu verdreifachen. Seit zwei Jahren gibt es mehr Geld und, glaubt man den breit angelegten Werbeoffensiven in den Verbänden, auch mehr Respekt. Eine spürbare Entlastung bringt der aktuelle Trend, so positiv er sein mag, nicht. Die Ausstiegs-Quote unter Neulingen ist hoch, Ausbildung und Aufstieg dauern. „Bis ein Anfänger auf Verbandsebene sichtbar wird, dauert es mindestens fünf Jahre“, sagt Roland Dotschkal, der Leiter Spieltechnik im Bezirk.

Doch so viel Zeit bleibt nicht. Ab 2020 greift die neue Klassenstruktur. Am 19. Mai, wenn die Absteiger aus der Baden-Württemberg-Oberliga feststehen, müssen die Bezirksvertreter entscheiden, wie viele Mannschaften am Verbands-Spielbetrieb teilnehmen sollen. Dabei ist jetzt schon klar: In der Schiedsrichterfrage geht es um wesentlich mehr als nur um Landesliga-Sollzahlen.

Der Handballbezirk in Zahlen

Der Bezirk Esslingen-Teck ist der flächenmäßig kleinste und gleichzeitig der mit den meisten aktiven Mannschaften aller acht Handballbezirke im württembergischen Verband. Zwischen Alb und Neckar nehmen 139 aktive und 222 Jugendmannschaften aus 45 Vereinen am Spielbetrieb teil.

Mit 3,4 Schiedsrichtern pro Verein liegt man hier im unteren Mittelfeld. Spitzenreiter ist der Bezirk Bodensee-Donau mit durchschnittlich fünf Referees pro Verein. Schlusslicht ist Neckar-Zollern mit einem Schnitt von 2,7. Die geforderte Sollzahl der Schiedsrichter in den Vereinen richtet sich nach der Zahl ihrer Mannschaften im Spielbetrieb. Insgesamt sind im Bezirk Esslingen-Teck 155 Unparteiische im Einsatz.bk