Handball

„Wild Boys“ gehen an der Lindach baden

Handball Der TVB Stuttgart sieht beim 24:35 in Weilheim gegen den VfL Gummersbach kein Land. Nur 300 Besucher in der Lindachsporthalle sorgen für enttäuschte Gesichter beim Gastgeber. Von Klaus Schlütter

Herr des Geschehens auf dem Spielfeld: Der VfL Gummersbach (in Gelb) war in Weilheim die tonangebende Mannschaft.Foto: Markus Br
Herr des Geschehens auf dem Spielfeld: Der VfL Gummersbach (in Gelb) war in Weilheim die tonangebende Mannschaft.Foto: Markus Brändli

Jürgen Schweikardt (38) redete nicht lange um den heißen Brei. „Ich war mit dem Auftritt meiner Mannschaft überhaupt nicht zufrieden“, monierte der „Trainager“ des TVB Stuttgart und fügte ohne Umschweife hinzu: „Wir haben sch… gespielt“.

Das knallharte Fazit eines total Enttäuschten nach einer vor allem in der zweiten Halbzeit unterirdischen Leistung seiner Mannschaft. Der Handball-Bundesligist aus Bittenfeld ging zum Auftakt des Esslinger Marktplatzturniers in der Weilheimer Lindach-Sporthalle gegen den VfL Gummersbach am Freitagabend mit 24:35 (13:15) sang- und klanglos unter. Elf Tore Unterschied gegen einen Gegner, dem man normalerweise auf Augenhöhe begegnet. Eine böse Schlappe gegen den Dino aus dem Bergischen Land, der in der Bundesliga wie der TVB - letztlich erfolgreich - um den Klassenerhalt kämpfte. Wie ist das zu erklären?

Schwere Beine nach dem harten Konditions-Trainingslager in Südtirol taugen nicht zur Entschuldigung. Auch der zwölffache deutsche Meister hat zwei strenge Vorbereitungswochen hinter sich. Eher schon das Fehlen entscheidender Kräfte. Ex-Nationaltorwart Johannes „Jogi“ Bitter ist nach seiner Leisten-OP im April vorerst noch zum Zuschauen verurteilt. Auch die angeschlagenen Stammspieler Max Häfner und Dominic Weiß mussten in Weilheim passen. Diese Ausfälle waren nicht zu kompensieren. Auch nicht durch Weltmeister „Mimi“ Kraus, der mit sechs Treffern immerhin bester Stuttgarter Torschütze war.

In einer abwechslungsreichen ersten Halbzeit konnten die „Wild Boys“ noch einigermaßen mithalten. Beim Stande von 3:6 erzielten sie fünf Treffer in Folge, gingen sogar 8:6 in Führung. Es sollte das einzige Mal bleiben. Nach einer taktischen Auszeit übernahm Gummersbach das Kommando und gab es bis zum Schluss nicht mehr ab. Lautstarke Regie aus der Tiefe des Raumes führte der starke Nationalkeeper Carsten Lichtlein.

Just in dem Moment, in dem das Spiel zugunsten des Traditionsklubs kippte, gingen bei Lichtleins Gegenüber Nick Lehmann die Lichter aus. Der Bitter-Vertreter kassierte einen heftigen Kopftreffer von Moritz Preuss aus nächster Nähe und blieb regungslos liegen. Minutenlang war es mucksmäuschenstill in der Halle. Dann wurde Lehmann auf wackligen Beinen und mit glasigen Augen hinausgeführt, später zur Beobachtung ins Krankenhaus gefahren. Erste Diagnose: Schleudertrauma, Gehirnerschütterung.

Im Tor stand nun Jonas Maier. Die Nummer drei in der Hierarchie der TBV-Torhüter hatte einen schweren Stand. Während sich seine Vorderleute immer wieder in der aufmerksamen Gummersbacher Abwehr festrannten oder am ebenfalls überragenden Schlussmann Matthias Puhle scheiterten, der in der zweiten Halbzeit Lichtlein ablöste, rollte eine VfL-Torlawine unaufhaltsam Richtung TBV-Kasten. Der bedauernswerte Maier fing sich einen freien Wurf nach dem anderen ein. Der Schlusspfiff erlöste ihn vom Dauerbeschuss. Nachher formulierte Schweikardt das Stuttgarter Saisonziel so: „Wir wollen ins Mittelfeld aufschließen und möglichst nichts mit dem Abstieg zu tun haben.“ Um das zu erreichen, muss sich der TBV Stuttgart bis zum Saisonbeginn aber noch erheblich steigern. Denn zum Punktspielstart kommt‘s knüppeldick. Am ersten Spieltag geht‘s zur DHFK Leipzig, dann kommt EHF-Pokalspieler Rhein-Neckar Löwen in die Porsche-Arena.

Mäßig wie die Vorstellung der Stuttgarter Mannschaft war an diesem Abend in Weilheim auch der Zuschauerzuspruch. Bei einem Spiel, das als einer der Höhepunkte im Jubiläumsjahr des TSV angekündigt war. Vielleicht hat der aufkommende Regen im Verlauf des frühen Abends den Einen oder Anderen vom Gang in die Lindach-Sporthalle abgehalten. Möglicherweise steckt den heimischen Handballfreunden auch der Frust über den Bezirksliga-Abstieg des TSV Weilheim noch in den Gliedern. Jedenfalls hatte sich der Veranstalter vom Event zum 125-jährigen Bestehen mehr als die 300 Besucher erhofft, die letztlich da waren. Das Fazit von TSV-Sprecher Timo Klein: „Finanziell sind wir mit einem blauen Auge davongekommen.“