Lokalsport

Alles auf null

Michael Mai und Kirchheims Basketballer starten mit acht neuen Spielern in die Zweitligasaison

Vom Play-off-Teilnehmer zum Abstiegskandidaten? Die Knights müssen in der neuen Saison in der Pro A vor allem eines: überraschen.

Kirchheim. Eine holprige Vorbereitung, zahlreiche Verletzte und ein neu formiertes Team – Für die Knights heißt das Hauptziel in diesem Jahr Klassenerhalt. Tim Koch, Andreas Kronhardt, Brian Wenzel, Carrington Love, Justin Hedley – völlig unterschiedliche Spielertypen, ein gemeinsames Problem. Alle fünf haben sich mit mehr oder weniger ernsten Blessuren mitten in der Saisonvorbereitung vorübergehend abgemeldet. Die gute Nachricht: Zum Rundenstart am kommenden Sonntag in Dresden könnten mit etwas Glück zum ersten Mal alle Spieler fit sein. Das Problem: Weil die Zeit fortgeschritten ist, sind Punkte fortan die Währung, in der Lehrgeld bezahlt wird.

Das allein ist zwar nicht der Grund, weshalb Kirchheims Headcoach Michael Mai in den vergangenen Wochen sichtbar an Gewicht verloren hat. Der Amerikaner kam im Juli mit ein paar überflüssigen Pfunden aus dem Heimaturlaub zurück und hält seitdem gleichermaßen streng wie erfolgreich Diät. Doch auch Sorgen zehren, wie man weiß, und die gab es auf dem Spielfeld zuletzt mehr als genug. Zum dritten Mal in Folge steht der 42-jährige Cheftrainer in der Pro A mit einer neu formierten Mannschaft am Start. Die Aufgabe diesmal allerdings ist ungleich schwieriger als zuletzt.

Routinierte Kräfte wie Richie Williams, Dennis Tinnon oder Keith Rendleman sind zumeist jungen Gesichtern ohne Erfahrung auf deutschem Parkett gewichen. Spielmacher Carrington Love (Foto: Genio Silviani), 22 Jahre alt und direkt vom College unter die Teck gewechselt, hat zumindest gezeigt, dass er in der Lage ist, Verantwortung zu tragen. Als Scorer, umsichtiger Vorbereiter und bissiger Verteidiger. Fast drei Wochen lang war er verletzt. Seit er zurück ist, läuft es deutlich runder im Spiel der Knights. Flankiert wird die neue Nummer eins von zwei ausgewiesenen Scharfschützen: Tim Koch und Preston Medlin, der zudem als Backup auf der Spielmacherposition vorgesehen ist. Medlins 28 Punkte im Testspiel gegen Tübingen haben angedeutet, dass er der vielleicht am meisten unterschätzte Neuzugang sein könnte. Einer der auf leisen Sohlen unterwegs ist, körperlich unscheinbar und dennoch schnell. Zuletzt allerdings noch mit deutlichen Formschwächen. Anders Tim Koch: Beim beinharten Verteidiger des Vorjahres wird viel davon abhängen, wie lange seine Fersenprobleme nach einer Operation im Frühsommer noch nachwirken. Das Gleiche gilt für Brian Wenzel, der nach einem Bänderriss erst seit dieser Woche wieder voll trainiert.

Die beiden vielleicht wichtigsten Bausteine sind die, die ganz zuletzt hinzugekommen sind. Mit dem Ex-Hamburger Jonathon Williams und Seth Hinrichs, der vom FC Porto kam, gewinnt die Mannschaft deutlich an Erfahrung. Während Hinrichs seine Qualitäten als brandgefährlicher Distanzschütze bisher noch kaum aufblitzen ließ und sich eher als Passgeber einführte, offenbarte Williams bei seinen ersten Auftritten vergangene Woche so gut wie keine Anlaufschwierigkeiten. Viel Tempo und Athletik beim zweitbesten Scorer des letztjährigen Play-off-Teilnehmers. Einziges Manko: Bei den Hanseaten war das 26-jährige Kraftpaket zuletzt fast ausschließlich auf der Position drei im Einsatz. In Kirchheim muss er sich nun wieder auf der Vier bewähren. Mit Williams und Hinrichs stehen Michael Mai zwei ausgesprochene Allrounder zur Verfügung, die zusätzliche Optionen in der Rotation eröffnen. Eher starr ist die Rollenverteilung im Inside-Spiel, wo sich die beiden Türme Jonathan Maier und Andreas Kronhardt die Aufgabe unterm Korb teilen werden.

Ein Kader ohne jeden Luxus, aber mit genügend Qualität, sofern die Puzzleteile zusammenfinden. Dafür gab es bisher vor allem eines: zu wenig Gelegenheit. Seit Sonntag immerhin sind einige der Sorgenfalten auf des Trainers Stirn geglättet. Die knappe Niederlage nach Verlängerung gegen den eingespielten Aufsteiger aus Ehingen, von dem es die Woche zuvor noch eine peinliche Abfuhr gegeben hatte, war ein sichtbarer Fortschritt. „Wir werden am Sonntag bereit sein“, verspricht Michael Mai, der weiß, dass er bis dahin vor allem die Defensive stabilisieren muss. Bisher der größte Schwachpunkt im Kirchheimer Spiel. Dass noch längst nicht alles rund läuft, versucht auch Christoph Schmidt, der Geschäftsführer der Knights, nicht schönzureden. Erwartungen und Ziele zu formulieren, ist nicht sein Ding. „Das bringt alles nichts“, sagt er. „In der Mannschaft steckt genügend Potenzial. Wenn sie es nutzt, mache ich mir keine Sorgen.“

Die bereiten eher die Finanzen. Zwar wird mit Sponsoren noch immer eifrig verhandelt, dass im Gesamtetat erneut Abstriche gemacht werden müssen, gilt trotzdem als sicher. Dabei sind die wichtigsten Hausaufgaben inzwischen erledigt: Mit dem neuen Regionalliga-Team gibt es den passenden Unterbau für junge Perspektivspieler. Justin Hedley und Niclas Sperber, beide mit einer Doppellizenz ausgestattet, haben in der Vorbereitung einen starken Eindruck hinterlassen. Vor allem Hedley könnte sich in diesem Jahr mehr verdienen als das Gnadenbrot in der Garbage Time. Auch das von der Liga geforderte Nachwuchskonzept existiert inzwischen. Was dieser Rahmen wert ist, wird sich spätestens im kommenden Jahr zeigen. Dann braucht es jemand, der ihn füllt. Mit Geld.

Tobias Unger fällt Sparzwang zum Opfer

Trennung nach zwei Jahren 15 nationale Meistertitel, Halleneuropameister, drei Olympia-Teilnahmen, bei denen er 2004 in Athen als einziger Weißer den Sprung ins 200-Meter-Finale schaffte. An seiner deutschen Rekordmarke über diese Distanz beißt sich der Nachwuchs bis heute die Zähne aus. Von der Erfahrung Tobias Ungers als Spitzensportler und Athletik-Trainer haben Kirchheims Basketballer zwei Jahre lang profitiert. Vor Beginn der neuen Saison gehen der 37-jährige Sportwissenschaftler aus Kirchheim und die Knights wieder getrennte Wege. Konzentration auf den VfB Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem ehemaligen Topsprinter, im Hauptjob Athletiktrainer der Fußball-Junioren beim VfB Stuttgart, ist eine von mehreren Sparmaßnahmen der Knights in diesem Jahr. Neben Kürzungen im Werbemitteletat wurde auch eine Mitarbeiterstelle in der Verwaltung zuletzt gestrichen.bk