Lokalsport
Auf und nieder, immer wieder

Basketball Von ganz unten nach ganz oben: Die Achterbahnfahrt der Knights geht weiter. Der Ruf nach Veränderung im Kirchheimer Kader bleibt. Von Bernd Köble

Eurythmie wird als Darstellende Kunstform und Teil der Waldorfpädagogik ja häufig milde belächelt. Ob Richie Williams, Kapitän der Kirchheimer Basketballer, jemals genötigt wurde, seinen eigenen Namen zu tanzen – wer weiß das schon? Der Versuch, einer ganzen Saison mit nur wenigen Schritten Ausdruck zu verleihen, ist ihm am Samstagabend jedenfalls eindrucksvoll geglückt. Mehr Bewegung lag nicht zwischen dem vermeintlich verhängnisvollen letzten Fehlpass und seinem Wurf für die Annalen. Der Last-Second-Sieg gegen Dresden, den vielleicht stärksten Gegner der jüngeren Vergangenheit in der Sporthalle Stadtmitte, ist der nächste Wegpunkt auf einer bisher beispiellosen Berg- und Talfahrt der Knights in diesem Jahr. Sie bleiben die Mannschaft der Extreme – an beiden Enden der Leistungsskala.Manch einer mag diese Entwicklung ungläubig verfolgen, der Trainer gehört nicht dazu: „Keiner kann erwarten, dass wir von Sieg zu Sieg marschieren,“ stellt Igor Perovic fest. „Wir sind nicht Vechta oder Tübingen.“

Vechta heißt der nächste Gegner am Samstag, und der scheint aus allem im Moment Kleinholz zu machen, was sich ihm in den Weg stellt. Seit der überraschenden Niederlage in Kirchheim Anfang Januar wirken die Niedersachsen noch dominanter als ohnehin schon in dieser Saison. Für Igor Perovic ist es dennoch ein Gegner, der zur rechten Zeit kommt. Weil die nächste Sensation plötzlich keine mehr wäre, auch wenn sie von außen niemand ernsthaft erwartet. Das bedeutet: neues Selbstvertrauen, aber keinerlei Druck. Andererseits macht das ewige Auf und Ab der Bilanzkurve eine nüchterne
 

Ich zähle keine Siege für den Klassenerhalt. Mein Ziel sind die Play-offs.
Igor Perovic
 

Saisonanalyse nicht leichter. Das neuerliche Leistungshoch hat bei den Verantwortlichen daher auch nichts an der Einschätzung verändert, dass es dringend Verstärkung braucht. Die Entscheidung, wer das Schiff dann verlassen müsste, ist mit dem Samstag nicht einfacher geworden. Öffentlich zu spekulieren, sei nicht seine Aufgabe, stellt Sportchef Chris Schmidt klar. Für ihn steht allerdings fest: „Wir müssen auf der Centerposition reagieren. Wenn Ty sich verletzt, dann haben wir ein dickes Problem.“ 

Ty Nash war auch am Samstag wichtigste Anspielstation unterm Korb. Doch nicht nur bei ihm, auch bei Richie Williams hinterlässt die immense Belastung allmählich Spuren in der Konzentration. Beide erhalten seit Monaten kaum Verschnaufpausen. Umso wichtiger sind Auftritte wie die von Jonas Niedermanner, der sich mit seinem ersten Double-Double allmählich aus der tiefen Talsohle, in der er seit Dezember steckt, zu befreien scheint. Kein Spiel hat bisher deutlicher gezeigt, wie bedeutend seine Rolle als deutscher Big Man in der Mannschaft ist. 19 Punkte, elf Rebounds, vier verwandelte Dreier gegen Dresden, so etwas hat man vom gebürtigen Sachsen bisher nicht gesehen.

Als ein möglicher Wackelkandidat könnte Kayne Henry gelten. Der junge Brite, der mit 28 Punkten gegen Karlsruhe vor Weihnachten die Herzen vieler Fans eroberte, hat gewaltiges Potenzial, zeigt es aber zu selten. Ein basketballerischer Freigeist mit einem Faible für das große Spektakel, allerdings auch mit erkennbaren Defiziten im Spielverständnis. Er ist keiner, den ein Stratege wie Perovic an der langen Leine zappeln lässt und letztlich auch der Name, der fallen könnte, wenn es um einen positionsgetreuen Tausch im Kader geht. 

Bis 15. Februar ist Zeit, zu entscheiden. Aleksa Bulajic, seit Samstag dabei und einzige Kraft mit Vertrag über das Saisonende hinaus, dürfte jedenfalls nicht das letzte neue Gesicht bleiben.

Momente, die in Erinnerung bleiben

Als Buzzerbeater bezeichnet man im Basketball einen erfolgreichen Wurf mit Ablauf der Uhr. Entscheidet der ein ganzes Spiel und findet aus großer Entfernung sein Ziel, dann sind es Momente, die sich ins Gedächtnis einbrennen. Kirchheims Kapitän Richie Williams hat sich mit einem solchen Wurf zum 95:92-Sieg gegen Dresden in Kirchheim ein Denkmal gesetzt – so wie andere bereits vor ihm.
Carrington Love sorgte am 18. Januar 2017 für das Highlight des 20. Spieltages in der Pro A. Im Heimspiel der Knights gegen die Rockets aus Gotha verwandelte der Amerikaner den entscheidenden Wurf von der Mittellinie mit Ablauf der Verlängerung zum Kirchheimer 92:91-Sieg vor 1100 Zuschauern. Die Knights festigten damals Platz drei und zogen mi​t ihrem Coach Michael Mai in die Play-offs ein.
Radi Tomasevic gelang ein noch spektakuläreres Kunststück am 27. März 2010. Damals lag die Kirchheimer Mannschaft von Frenki Ignjatovic gegen den Topfavoriten und späteren Meister aus Bayreuth mit zwei Punkten zurück als noch drei Sekunden auf der Uhr waren. Kirchheims Kapitän schnappte sich den Ball in der eigenen Hälfte, zog ab und verwandelte zum Kirchheimer Sieg, der den Franken die vorzeitige Aufstiegsfeier vermasselte. Mehr noch: Die Ritter, die am Ende Vierter wurden, blieben die einzige Mannschaft, die dem Team aus Bayreuth in dieser Saison alle vier Punkte abluchsten. bk