Lokalsport

Aus dem kühlen Norden - heiß auf Erfolge

Basketball Anton Mirolybov unterschreibt Einjahresvertrag als neuer Headcoach der Knights. Der 39-jährige Finne kommt vom Pro-B-Absteiger aus Leipzig. Von Bernd Köble

Engagiert am Spielfeldrand, fordernd im Team, sympathisch im Umgang: Anton Mirolybov wird neuer Trainer der Knights.Foto: Christ
Engagiert am Spielfeldrand, fordernd im Team, sympathisch im Umgang: Anton Mirolybov wird neuer Trainer der Knights. Foto: Christian Modla

Die Stadt hat 630 000 Einwohner, war 1952 Gastgeber bei den Olympischen Sommerspielen und bietet übers Jahr hinweg ein Übermaß an dunklen Stunden. Helsinki ist sicher nicht der Sehnsuchts-Ort des durchschnittlichen Schwaben, und doch dürften von Kirchheim aus in den kommenden Tagen die Telefondrähte in die finnische Hauptstadt heiß laufen. Die Zweitliga-Basketballer haben einen neuen Trainer. Er heißt Anton Mirolybov, ist Finne und sitzt derzeit noch dort, wo im Norden der 60. Breitengrad verläuft. Dort leitet er zurzeit ein Jugendcamp des finnischen Verbands mit mehr als 100 Kindern. Spätestens in zwei Wochen will er zum ersten Mal Kirchheimer Boden betreten.

Wer ist dieser Anton Mirolybov, dessen Namen kaum einer kennt und der zuletzt bei den Uni Riesen in Leipzig die Liquidation des Profi-Basketballs begleiten musste? Leipzigs ehemaliger Geschäftsführer Werner Scholz, der Mirolybov im November als Retter nach Sachsen holte, kommt mit drei Worten aus: ehrgeizig, kompetent, fordernd. „Wenn er auf ein funktionierendes Umfeld trifft, bin ich überzeugt, dass er einen super Job macht“, meint Scholz und reicht nach: „Wir konnten ihm das zuletzt leider nicht mehr bieten.“ Die Uni Riesen haben nach dem Abstieg aus der Pro B die GmbH aufgelöst, ihr Profiteam abgemeldet und stehen vor einem Neubeginn in der 2. Regionalliga. Der Grund: fehlendes Geld. Ein ähnliches Szenario also, das in der zweiten Maihälfte zumindest kurzzeitig auch in Kirchheim an die Wand gezeichnet wurde. Übrigens nicht die einzige Parallele: Im Frühjahr 2013 stiegen Riesen und Ritter gemeinsam aus der Pro A ab. Während die Leipziger die Treppe abwärts nahmen, sicherte den Kirchheimern der BBL-Verbleib der Ludwigsburger per Wildcard den nachträglichen Klassenerhalt.

Michael Mai auf den Fersen

Mirolybov arbeitete zu dieser Zeit zwei Jahre lang als Cheftrainer der finnischen Damen-Nationalmannschaft, bevor er in der Saison 2013/2014 den UBC Hannover als Tabellenersten der Hauptrunde Nord in die Play-offs der Pro B führte. Wenn wir schon bei Parallelen sind: Wie jetzt in Kirchheim trat der Finne 2013 die Nachfolge von Michael Mai bei den Niedersachsen an. Seine vielleicht wertvollsten Erfahrungen im deutschen Profi-Basketball sammelte er als Assistenz-Coach von Björn Harmsen beim MBC, der damals wie heute in der ersten Liga spielte. Im Frühsommer 2011 stand Mirolybov als Interimstrainer kurzzeitig für den erkrankten Harmsen als Chef an der Seitenlinie. Der Mann hat also auch Erstliga-Erfahrung. Nicht nur hierzulande, auch in seiner Heimat, wo er zwei Jahre lang den Topklub KTP Basket betreute. Zuguterletzt: Die finnische U20 führte er im Sommer vor zwei Jahren zum EM-Titel.

Bei aller Trainererfahrung sagt Mirolybov: „Leipzig war eine lehrreiche Zeit.“ Dass ihn in Kirchheim Ähnliches erwarten könnte, schreckt ihn nicht: „Ich habe viel Erfahrung mit Low-Budget-Teams“, sagt der Trainer, der ­Teamplay über alles stellt. „In Kirchheim wird seit vielen Jahren exzellente und erfolgreiche Arbeit geleistet.“

Knights-Geschäftsführer Chris Schmidt ist überzeugt, den Richtigen gefunden zu haben, nachdem die Knights vergangene Woche einen Tiefschlag einstecken mussten: Igor Perovic, sieben Jahre lang BBL-Chefcoach in Tübingen, galt als heißer Kandidat, ehe ihn die Ulmer als Jugend-Koordinator wegschnappten. Mirolybov ist mehr als zweite Wahl: „Sein Ehrgeiz und sein unbedingter Wille, nach Kirchheim zu kommen, haben uns beeindruckt“, sagt Schmidt. Vorerst verkehren beide nur per Telefon. „Das macht keinen Unterschied, die Kaderplanung läuft“, sagt Mirolybov, der am nächsten Freitag ins Schwabenalter kommt und bekennender Junggeselle ist. „Ich bin mit dem Basketball verheiratet.“

Der Fach-Arbeiter

Es war ein Schlag in die Weichteile. Unerwartet, hart, schmerzhaft. Michael Mais vorzeitiger Abschied von den Knights passt auf den ersten Blick so gar nicht zum Wesen des mitunter fast scheu wirkenden Trainers. Wer ihn kennt, weiß allerdings genau: Der Amerikaner ist stets höflich im Ton, doch unerbittlich in der Sache. Kein Mann für Kompromisse. Doch genau die hätten im Vorfeld seiner mutmaßlich letzten Saison in Kirchheim reichlich angestanden. Der Mannschaftsetat? Rückläufig. Die Regionalliga-Mannschaft? Abgemeldet. Das Jugendkonzept? Im Nebel. Spätestens als die Klubeigner im Mai auch die Option eines Rückzugs nicht mehr ausschlossen, musste allen klar sein: Der Mann hat Alternativen.

Jetzt also Anton Mirolybov. Der Coach aus Helsinki hat eine umfangreiche Vita, im deutschen Basketball bisher allerdings kaum Spuren hinterlassen. Kein Charismatiker im feinen Zwirn, der Glanz verbreiten würde. Eher ein grundsolider Arbeiter, sympathisch und mit attestiertem Sachverstand. Von Michael Mai wurde vor zwei Jahren Ähnliches behauptet. Was für die Knights entscheidend sein dürfte: Der 39-Jährige hat nach seiner Arbeit in Leipzig reichlich Erfahrung im Umgang mit schwierigen Arbeitsbedingungen. Die beiden Tatsachen, dass er als Absteiger nach Kirchheim kommt und gleichzeitig der Erste war, der seine Bewerbung hier mit Nachdruck eingereicht hat, zeigt: Hier kommt einer, der nach Erfolgen lechzt.