Lokalsport
Aus dem Training heraus zur WM

Radsport Jannik Steimle steht fünf Wochen nach seinem Schlüsselbeinbruch im sechsköpfigen Aufgebot des BDR für die Titelkämpfe in Australien. Zehn Tage bleiben Zeit, um Rennkilometer zu sammeln. Von Bernd Köble

Er hat Schweineglück gehabt, das weiß er. Wer bei Tempo 70 ungeschützt auf den Asphalt kracht, dabei von Hintermännern überrollt wird, der kann sich ein Sternchen in den Kalender kleben, wenn am Ende nur das Schlüsselbein gebrochen ist. Nur zehn Tage nach dem verheerenden Massensturz im Zielsprint bei der Vuelta a Burgos Anfang August saß Jannik Steimle wieder im Training auf dem Rad. Wieder hält eine Metallplatte den Knochen zusammen. Fast exakt an jener Stelle, an der er sich das Jahr zuvor das Schultereckgelenk zertrümmert hat. Inzwischen sind fünf Wochen vergangen und das erneute Comeback steht vor der Tür. Am Sonntag wird der Weilheimer beim GP Fourmies in Frankreich am Start stehen. Dienstag darauf beginnt für ihn die fünftägige Luxemburg-Rundfahrt mit einem 25 Kilometer langen Einzelzeitfahren auf der vorletzten Etappe.

Es ist der Wiedereinstieg in der Endphase der zweiten, von Sturzpech geprägten Saison in Folge. Es ist aber auch gleichzeitig die Generalprobe für das, was die Saison am Ende doch noch retten könnte: Steimle steht im deutschen Aufgebot für die am 18. September beginnende WM in Australien, die mit dem Straßenrennen der Männer am 25. September ihren Höhepunkt erlebt. Der 26-Jährige soll sowohl im Einzelzeitfahren zum Auftakt wie auch am darauffolgenden Sonntag im 270 Kilometer langen Straßenrennen die deutschen Farben vertreten.

Eine WM nach schwerer Verletzung und mehrwöchiger Rennpause? Was ungewöhnlich klingt, sieht er als Chance und der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) offenbar auch. Die Saison war lang, der WM-Termin in diesem Jahr kommt spät. Viele Stars sind müde. Der Brite Tom Pidcock oder Tour-Sieger Jonas Vinge­gaard haben schon abgesagt. Die deutschen Topfahrer Nils Politt und Lennard Kämna sind ebenfalls nicht dabei. Für Jannik Steimle könnte es die Chance
 

Ich werde einer der wenigen sein, die dort ausgeruht am Start stehen.

Jannik Steimle
der Weilheimer zu seinem Start bei der WM.
 

auf Versöhnung mit einer Saison sein, die ihn schon die Heim-EM in München gekostet hat. „Ich war bis zu meinem Sturz in Topform“, sagt er mit Blick auf Australien. „Ich werde vermutlich einer der wenigen sein, die dort ausgeruht am Start stehen.“ Neben Steimle werden Vuelta- und Giro-Etappensieger Nikias Arndt, der Vierte der Deutschland-Tour Georg Zimmermann sowie Jonas Koch, Nico Denz und Miquel Heidemann im sechsköpfigen deutschen Aufgebot stehen. Damit scheint sich auch das Verhältnis Steimles zum BDR, das lange Zeit als angespannt galt, zu normalisieren. Trotz guter Leistungen blieben die Auftritte des Weilheimers im Nationaltrikot selten und nicht gerade von Erfolg gekrönt. Bei der EM im Vorjahr in Trient stieg er vorzeitig aus, für die anschließende WM in seiner Team-Heimat Belgien wurde er erst gar nicht nominiert. Eine Entscheidung, über die er „mega enttäuscht“ war, wie er später einräumte. Während seiner Zeit in der U 23 bestritt Steimle kein einziges Rennen für den nationalen Verband. Zwei, die lange Zeit nicht zueinander gefunden haben, scheinen nun ihre gegenseitige Wertschätzung zu entdecken.
 

Titelkämpfe an der Küste des Südpazifiks

Die Straßenrad-WM findet in diesem Jahr vom 18. bis zum 25. September im australischen Wollongong statt. Die Stadt mit rund 260 000 Einwohnern liegt an der Ostküste am Pazifik und ist drittgrößte Stadt im Bundesstaat New South Wales, 85 Kilometer südlich von Sydney.
Den Auftakt macht am Sonntag, 18. September, das Einzelzeitfahren der Frauen und Männer. Das Männerrennen folgt einem 17,1 Kilometer langen Kurs innerhalb des Stadtgebiets mit zahlreichen Zuschauern. Ein Teil der Strecke führt über den Marine Drive an der Küste entlang.
Das Straßenrennen der Männer am Sonntag über 270 Kilometer startet im 30 Kilometer entfernten Helensburgh. Anschließend folgt eine Runde über den 473 Meter hohen Mount Keira, bevor die Fahrer den 17 Kilometer langen Zeitfahrkurs sechsmal umrunden müssen. bk