Lokalsport

Bei den früheren Weilheimer Reitturnieren ging es ziemlich familiär zu

Bei den früheren Weilheimer Reitturnieren ging es ziemlich familiär zu

Wie alles im Leben, hat sich auch das Weilheimer Reitturnier in der Vergangenheit einer tiefen Wandlung unterzogen. Die Turniere von einst haben mit denen von heute fast nur noch den Namen gemeinsam.

Bei den früheren Weilheimer Reitturnieren ging es ziemlich familiär zu
Bei den früheren Weilheimer Reitturnieren ging es ziemlich familiär zu

Weilheim. Hermine Geiger aus Weilheim, Mitglied der ersten Stunden des Vereins, erinnert sich noch genau an alte Turnier-Zeiten. Im Juni 1970 war der Reit- und Fahrverein Weilheim gegründet worden und bereits im August 1971 wurde der „1.  Weilheimer Reitertag“ veranstaltet, bei dem Pony-Wettrennen, Anfängerspringen und Springen bis zur Klasse L durchgeführt wurden. Ein Jahr später fand das große Reit- und Springturnier mit einem Festzelt statt. Rasch war aus dem Turnier ein Reitfest geworden, bei dem auch gefeiert wurde.

Die Beliebtheit stieg – auch bekannte Reitsport-Größen gingen in Weilheim an den Start, allen voran Martin Schaudt aus Onstmettingen, der an zwei Olympiaden in der Dressur teilgenommen hat und mit der Mannschaft die Goldmedaille mit nach Hause nehmen konnte. Oder der Weltmeister der Vielseitigkeitsreiter Michael Jung, ebenso wie Weltmeister und Mannschaftsolympiasieger im Springreiten, Gert Wiltfang, oder auch Olympiateilnehmerin Lone Jörgensen. Sie alle starteten schon am Egelsberg.

„In den ersten zehn bis 15 Jahren hat in der Organisation jedes Mitglied mitschaffen müssen, auch Kinder“, weiß Hermine Geiger. Die Kinder haben damals die Rechnungen an Dienstleister ausgefahren, damit der Verein Porto spart, denn es gab noch kein Internet und keine E-Mail-Kommunikation. Dafür gab es viele fleißige Helfer – an den Turnieren wurden zwischen 100 und 120 Kuchen verkauft, und oft stand Hermine Geiger von morgens um 5 Uhr bis abends um 11 Uhr hinter der Theke. Die Kinder des Vereins hatten anderntags oft schulfrei – sie mussten bei den Aufräumarbeiten mithelfen. „So etwas geht heute natürlich nicht mehr“, schmunzelt Hermine Geiger. Alles war allerdings noch familiärer als heutzutage, es war ein richtiger Familienbetrieb. Und in der Kasse blieb immer etwas übrig.

In den Anfängen des Vereins war der provisorische Reitunterricht auf Privatgrundstücken von Karl Geiger und Friedrich Schuhmacher abgehalten worden. Der erste ehrenamtliche Reitlehrer hieß damals Herold Bäuerle, und der Unterricht war total improvisiert. „Wir gingen bei Hermine Geiger aufs Klo und saßen bei ihr am Wohnzimmertisch, wenn wir Durst hatten. Im Winter, wenn der Sandplatz gefroren war, legten wir Mist auf einer Wiese aus und dann wurde dort geritten“ erinnert sich Silvia Mayer, die später langjährige Zweite Vorsitzende und damals, in den frühen Siebzigern, noch ein Kind war. Von Anfang an suchten die RFV-Verantwortlichen nach einem geeigneten Gelände für eine richtige Reitanlage, die dann unterhalb des Egelsbergs auch gefunden wurde.

Reitanlage und Turniere wuchsen sehr schnell. Ende 1974 – im Jahr, als auch Martin Feth sein erfolgreiches 25-jähriges Reitlehrer-Engagement am Egelsberg begann – startete der Bau der kleinen Reithalle. „Es war alles Handarbeit in Eigenleistung“, erzählt Hermine Geiger, „und die erste Turnier-Meldestelle war ein Kiosk aus Stuttgart, dort sind wir hingefahren, haben den Kiosk abgebaut und in Weilheim wieder aufgebaut.“

In vielerlei Hinsicht haben sich die Zeiten geändert. Heute werden die Kinder an der Anlage abgeliefert und die Mütter fahren weiter: Verpflichtungen. Früher wurden die Kinder auch abgeliefert, doch die Mütter, die oft Hausfrauen waren, blieben da und im Reiterstüble brannte lange Licht. Man redete, man musste reden – Informationsaustausch, auch übers alljährliche Weilheimer Turnier. Heutzutage braucht man über dieses Turnier weniger zu reden, denn die Ergebnisse der Prüfungen sind im Internet schneller nachzulesen als ein Pferd abgesattelt werden kann.

Früher war vieles anders – auch der Betrieb der Meldestelle. Anne Schuhmacher, von Vereinsmitgliedern auch liebevoll „Tante Anne“ genannt, arbeitete darin mehrere Jahre, und Kugelschreiber, Schreibmaschine und ein einfaches Telefon waren ihre Hilfsmittel. Heute heißt die Meldestelle Meldeturm und birgt so viel Hightech in sich, dass manchmal der Strom nicht ausreicht.

Früher – da war der Reitsport noch eine echte Männerdomäne, schließlich hatte er seine Wurzeln im Militär. Heutzutage sieht man fast nur noch Amazonen im Sattel. Die Dinge haben sich dramatisch verändert.tr