Lokalsport

Brückenschlag zum Taktik-Papst

Revolutionärer Fußball-Rentner: Helmut Groß. Foto: Jacques
Revolutionärer Fußball-Rentner: Helmut Groß. Foto: Jacques

Serie Was macht eigentlich...Helmut Groß? Er kam 1985 vom SC Geislingen und war ein Heilsbringer für die Fußballer des VfL Kirchheim. Mit seiner revolutionären ballorientierten Raumdeckung statt der bis dahin üblichen Manndeckung veränderte er grundlegend das Spielsystem der „Blauen“. Die neue Taktik wurde unter der Teck zum erfolgreichen Dauerbrenner. Auf Anhieb glückte der Aufstieg in die Amateuroberliga. In den zwei folgenden Spielzeiten durfte sich der VfL als bestplatziertes Drittligateam im Ländle sogar zweimal „Württembergischer Meister“ nennen.

Denkwürdig das 1:1 im Testspiel gegen den damaligen Europapokalsieger Dynamo Kiew. Trainer Valerie Lobanowski, gleichzeitig Russlands Nationaltrainer, war sehr überrascht darüber, dass ein unterklassiges Team in Deutschland eine ähnliche Taktik wie seine Mannschaft spielte. „Ich denke gerne an jene Zeit zurück. Kirchheim ist mir ans Herz gewachsen“, versichert Groß. Gelegentlich trifft er sich noch mit den Helden von damals, um Erinnerungen auszutauschen.

Der Ära VfL folgte für den gelernten Bauingenieur im Brückenbau der Brückenschlag in die bundesweite Fußballwelt. Nächste Station war der VfB Stuttgart. Als Jugendkoordinator schwor er alle Nachwuchsmannschaften auf das Spielsystem „Marke Groß“ ein. Er holte Ralf Rangnick als Trainer, wurde sein Ziehvater, Wegbereiter und enger Berater in allen fußballphilosophischen Fragen. Er folgte Rangnick 2008 zur TSG Hoffenheim und blieb dessen Mentor ab 2012 sieben Jahre lang bei RB Leipzig. Andere renommierte Trainer wie Achim Beierlorzer, Roger Schmidt und Marco Rose gingen ebenfalls durch seine Taktik-Schule. Am 1. Juli 2019 trat Groß in den Ruhestand.

Seither lebt er, inzwischen 72, mit seiner Frau dauerhaft wieder in Geislingen. Kürzlich hat er eine neue Hüfte bekommen. „Die OP war dringend notwendig. Ich konnte kaum noch Treppen laufen. Auch meine Kniegelenke schmerzen. Aber ich klage nicht“, versichert der Fußball-Rentner. Bedauerlicher sei, dass er wegen Corona den Nachwuchs nicht besuchen kann. Der Sohn wohnt in Lübeck, die Tochter in England. Die zweimal zwei Enkelkinder sind zwischen sieben und elf Jahre alt. „Sie nicht zu sehen, tut mehr weh als die körperlichen Altlasten“, versichert er. Klaus Schlütter