Lokalsport

Das gallische Dorf und seine Grenzen

Basketball Am Freitag beginnen für Kirchheims Korbjäger die Play-offs gegen Heidelberg. Der schwerste Gegner in der zweiten Liga wartet allerdings an anderer Stelle. Von Bernd Köble

Basketball Pro A - Knights - Trier
Basketball Pro A - Knights - Trier

Geld. Eimerweise Geld. Die Mädchen des Regioteams und ihre vielen Unterstützer haben am Samstag ganze Arbeit geleistet. Hundert Kilo Münzgeld war das Ziel. Am Ende waren es mehr als doppelt so viel. Die Spendenaktion am Rande des letzten Heimspiels zugunsten krebskranker Kinder - ein grandioser Erfolg. Wäre es doch immer so einfach, mag sich manch einer der Knights-Verantwortlichen mit Blick auf die bunten Sammelbüchsen gedacht haben.

Nichts ist einfach, auch wenn es so scheint. Zum Beispiel Erfolg. Zum dritten Mal seit Einführung der Play-offs in der Pro A vor fünf Jahren stehen Kirchheims Basketballer in der Finalrunde um den Titel. 2012 Vizemeister, in neun Jahren Klassenzugehörigkeit sechs Mal unter den fünf besten Teams. Eine Bilanz, die unter den Dauergästen in der Liga ohne Beispiel ist. Kein Team war auf lange Sicht erfolgreicher, erst recht keines mit so wenig Geld.

Und jetzt? Jetzt könnte das alles rascher enden, als die meisten befürchtet haben. In der Saison 2014/15 schienen die Kirchheimer auf einem guten Weg. 563 000 Euro betrug damals das verfügbare Jahresbudget, trotz zweier vergleichsweise erfolgloser Jahre zuvor. Eine Summe, die danach nie wieder erreicht wurde. Einige Großsponsoren sprangen ab, kleinere versuchten, die Lücke zu füllen. Den Rest schulterten die Gesellschafter, die inzwischen ein gutes Drittel der Sponsorengelder selbst stemmen. Gesamtetat heute: 488 000 Euro. Ein Budget, mit dem die Knights in der laufenden Saison für Furore gesorgt, millionenschwere Gegner vorgeführt und als Tabellenvierter die Saisonverlängerung gebucht haben.

Das gallische Dorf, neun Jahre lang ein mit Stolz und Genugtuung gezeichnetes Bild, hat Patina angesetzt. Seit der finanziellen Blütezeit vor zwei Jahren sind die Einnahmen konstant rückläufig bei stetig steigenden Kosten. Gleichzeitig hat sich der Durchschnittsetat in der Pro A glatt verdoppelt: Die Hälfte aller Klubs verfügen nach offiziellen Zahlen der Liga über einen Jahresetat von 800 000 Euro oder mehr. Allein das, was die Liga in den kommenden beiden Spielzeiten an neuen Standards abverlangt, schlägt unter der Teck mit laufenden Mehrkosten in Höhe von 135 000 Euro jährlich und Investitionen von insgesamt 83 000 Euro zu Buche.

An der Ligaspitze in Köln weiß man durchaus, dass etliche Klubs unter der Finanzlast ächzen. Als Zweitliga-Geschäftsführer Daniel Müller im vergangenen Jahr mit seiner Agenda hausieren ging, war Kirchheim erste Adresse. Zufall? Wohl eher nicht. Die Knights gelten als Benchmark in Sachen Effizienz und Überlebenswille. Eine Art Bio-Indikator, wo es um Reaktion auf Umweltgifte und Wachstum auf kargen Böden geht.

Doch die Zeiten, als man es in Kirchheim noch vornehm vermied, über Geld zu reden, sind endgültig vorbei. „Unser Etat muss bis Sommer um 200 000 Euro wachsen, wollen wir unsere Pflichten erfüllen“, sagt Knights-Gesellschafterin Bettina Schmauder kurz und knapp. In anderen Worten: „Wir stehen am Scheideweg, kein Zweifel.“ Die gute Nachricht: Keiner der Beteiligten hat seinen Optimismus verloren. Von Verschleißerscheinungen war hinter vorgehaltener Hand die Rede. Einige der Anteilseigner, die mit rund 100 ehrenamtlichen Helfern den Laden am Laufen halten, seien müde. Bettina Schmauder dementiert, will aber nicht verleugnen, dass beim Gesellschaftetreffen Ende Januar der Worst Case erstmals Thema war. Der geordnete Rückzug - die letzte von mehreren Optionen.

Inzwischen geht der Blick in Richtung Zukunft. Am 15. April endet die Frist für den Lizenzantrag. Vor drei Wochen war das jährliche Treffen mit den wichtigsten Sponsoren. Am Ende stand ein Treueschwur. 80 000 Euro Soforthilfe, der Rest ist Hoffnung und Vertrauen auf professionelle Hilfe. Die Agentur KMR aus Fellbach ist seit zwei Wochen beauftragt, über die Stadtgrenzen hinaus Markenwerbung zu betreiben. Bis 1. August bleibt Zeit, die Lizenzauflagen vollständig zu erfüllen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das schaffen“, sagt Heiko Etzel, seit vergangenem Jahr Neu-Mitglied der Gesellschafterrunde. „Unser Produkt ist gut“, sagt er. „Wir haben es bisher nur nicht geschafft, es ausreichend gut zu vermarkten.“

Die Karten liegen auf dem Tisch. Vor dem Spiel am Samstag wurde auch der Mannschaft reiner Wein eingeschenkt. Kapitän Andreas Kronhardt und Tim Koch hatten schon vor Wochen signalisiert, dass sie sich eine Zukunft in Kirchheim vorstellen könnten. Verhandlungsspielraum gab es keinen. Jetzt will man sich erstmals zusammensetzen. Die beiden deutschen Identifikationsfiguren zu halten, wäre ein erster, wichtiger Schritt. Alles weitere entscheidet: Geld. Am besten eimerweise.