Lokalsport

Das Last-Minute-Trauma

Die Knights und die Frage: Wie bringt man eine Führung über die Zeit?

Allmählich wird es bedenklich. Schon deshalb, weil sich die Muster gleichen. Kirchheims Basketballer trauern dem dritten verschenkten Sieg in Folge hinterher. Einer findet sich immer, der in letzter Sekunde den entscheidenden Fehler macht.

Chemnitz: Basketball-Bundesliga ProA. BV Chemnitz 99 (Niners) vs. Kirchheim KnigtsJordan Wild. Foto: Peter Zschage
Chemnitz: Basketball-Bundesliga ProA. BV Chemnitz 99 (Niners) vs. Kirchheim KnigtsJordan Wild. Foto: Peter Zschage

Kirchheim. Uli Hoeneß ist dem Basketball nicht abgeneigt, das weiß man. Säße der Bayern-Macher derzeit nicht in Landsberg ein, man wäre wohl versucht gewesen, ihn am Sonntag statt in der Festung am Lech am Heidelberger Olympiastützpunkt zu verorten. Drunten auf der Spielerbank saß nicht Hoeneß, sondern Karl-Wilhelm Lenger. Dessen gefährlich funkelnden Äuglein samt hochrotem Kopf erinnerten jedenfalls gewaltig an den gestrauchelten Bayern-Boss, als der noch unter notorischem Beißzwang litt.

Nicht nur Lenger war am Sonntagabend auf Krawall gebürstet, doch keiner konnte es schlechter verbergen als der sportliche Leiter der Knights. Seine Frau habe sich ernstlich Sorgen um seinen Blutdruck gemacht, verriet er hinterher. Dem Emotionsschub vorausgegangen war eine Szene, die den Schlusssekunden der beiden zurückliegenden Spiele in puncto Tragik bedenklich ähnelte. 16 Sekunden hätten die Knights bei eigenem Ballbesitz über die Zeit retten müssen, und alles wäre gut gewesen. Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn nach Bryan Smithson und Ben Beran war es diesmal Jordan Wild, der den Ball vertändelte und dem Gegner den letzten Wurf und damit die Verlängerung ermöglichte. Selbst das Ende des Dramas passte zum Titel „Unglaublich aber wahr.“ Nicht Heidelbergs Dreier-Waffe Nico Adamczak verwandelte den alles entscheidenden Distanzwurf fünf Sekunden vor Schluss, sondern Kelvin Martin. Dass der zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison von draußen traf und wie Knights-Coach Michael Mai hinterher ätzte, vermutlich auch zum letzten Mal, macht die Sache nicht besser.

„Wir leisten uns in den letzten 15  Sekunden regelmäßig Aktionen, die uns killen“, stellt Mai ernüchtert fest. „Es gab überhaupt keinen Grund, dieses Spiel noch aus der Hand zu geben.“ Dabei hatten er und seine Mannschaft genau daran in der Woche zuvor intensiv gearbeitet. Lenger genügt dafür ein einziges Wort: Dummheit. Dem Sportchef gelingt es immerhin, in allen drei Akten des Dramas Unterschiede herauszuarbeiten: „In Chemnitz sind uns eine ganze Reihe haarsträubender Fehler unterlaufen“, meint er. „Gegen Hamburg und Heidelberg haben wir gut gespielt und uns am Ende um den verdienten Lohn gebracht.“

Die Frage wird sein, welche Spuren dies alles in den Köpfen der Spieler hinterlassen hat. Lenger glaubt, schon in Heidelberg den Ansatz von Nervosität erkannt zu haben, die Angst vor der eigenen Courage. Was also tun? „Die Mannschaft braucht jetzt keinen zusätzlichen Druck. Jeder weiß, was zu tun ist,“ sagt der Coach. Wer wollte, konnte dennoch vernehmen, dass es am Sonntag in der Kabine laut geworden ist. Dass nun ausgerechnet am Samstag gegen Gießen die Wende gelingen wird, ist Lengers große Hoffnung: „Da sind wir wie schon gegen Nürnberg klarer Außenseiter,“ sagt er. „Vielleicht liegt uns diese Rolle ja mehr.“

Statistiken besser als der Tabellenplatz

Zahlen lügen nicht? Was die derzeitige Tabellensituation der Knights in der Pro A betrifft, vermitteln sie zumindest ein schiefes Bild. Der Tabellen-Dreizehnte aus Kirchheim schneidet jedenfalls in allen relevanten Kategorien derzeit besser ab, als die Platzierung nach vier Spieltagen es ausdrückt.

Rebounds Die Kirchheimer sind das bisher reboundstärkste Team: 175 zweite Bälle ist ligaweit spitze, noch vor Teams wie Vechta (167) und Gießen (159). Bester Arbeiter unterm Korb bei den Knights ist Enosch Wolf mit 41 Rebounds, was einen zweistelligen Schnitt bedeutet (10,3). Dahinter rangiert Jordan Wild mit 32 Balleroberungen (acht pro Spiel).

Gesamtwurfquote aus dem Feld Hier belegen die Kirchheimer Platz sieben unter den 16 Mannschaften in der Pro A. Kirchheims Topscorer ist Bryan Smithson mit bisher 75 erzielten Punkten, was einem Schnitt von 18,8 pro Spiel entspricht, gefolgt von Ben Beran (55/13,8). Smithson steht mit durchschnittlich mehr als 37 Minuten allerdings von allen Kirchheimern auch deutlich am längsten auf dem Spielfeld.


Turnovers Die Anzahl der Ballverluste wird als einer der Hauptgründe für den Misserfolg der vergangenen drei Wochen betrachtet. Die Statistik zeigt: Auch hier sind die Knights mit Platz zehn und bisher 60 Ballverlusten besser als der Durchschnitt. Die meisten Fehler bei eigenem Ballbesitz unterliefen Kirchheims Topscorer Bryan Smithson mit drei pro Spiel. Zahlen die zweierlei zeigen: Wer weniger spielt, macht weniger Fehler. Und: Nicht die Gesamtzahl ist entscheidend, sondern der Zeitpunkt.bk