Lokalsport

Der Diener „älterer Herren“

Porträt In Würzburg war er der Mann für die Dreckjobs, in Kirchheim will Charles Barton ein echter Leader sein.

Verspürt keinen Druck: Charles Barton. Foto: Markus Brändli
Verspürt keinen Druck: Charles Barton. Foto: Markus Brändli

Kirchheim. Er zeichnet Comics, bezeichnet sich selbst als Nerd und hat einen berühmten Trainer als Mentor: seinen Vater. Charles Barton senior hat dem jüngsten Spross der Familie einen Wechsel nach Kirchheim ans Herz gelegt. „Denk an deine Entwicklung und schau nicht aufs Geld“, so der Rat des 67-Jährigen, der in seiner langen Trainerlaufbahn auf der Gehaltsliste von internationalen Topklubs wie Thessaloniki oder Macabi Tel Aviv stand. Barton junior ist dadurch weit herum gekommen in der Welt. Die Mutter, eine schwedische Nationalspielerin, die damals ihren Trainer heiratete, der ältere Bruder, ebenfalls ein erstligaerfahrener Spieler, der momentan in Schweden spielt.

Guter Rat ist teuer? Bei Bartons nicht. Kritik und Analysen gibt es meist, wenn andere schlafen. In nächtlichen Telefonaten nach dem Spiel. Mit dem Vater, mit dem Bruder, mit der Mutter. „Genau in dieser Reihenfolge“, sagt Charles Barton junior. „Mum ist meine härteste Kritikerin. Die kommt immer ganz zum Schluss.“

In der Rolle des Spielmachers zählt Erfahrung mehr als auf jeder anderen Position. 25 Jahre ist ein gutes Alter, wenn man gelernt hat, früh Verantwortung zu übernehmen. Als 19-Jähriger am College erhielt er seine erste Berufung ins Senior-Team, der US-Nationalmannschaft. Im Frühsommer 2016 kürte ihn die schwedische Liga zum Guard des Jahres. Auch deshalb, weil er auf dem Spielfeld äußerst erfolgreich „älteren Herren“ diente, wie er es grinsend nennt.

Barton ist cool. Druck, sagt er, verspürt er keinen. Auch wenn die Erwartungen hier groß sind. Bewährte Kirchheimer Kräfte wie Andreas Kronhardt und Tim Koch teilen sich die Kapitänsrolle. Er soll der Leader auf dem Spielfeld sein. Cedric Brooks, Bryan Smithson, Chris Alexander, Richie Williams oder zuletzt Carrington Love - Kirchheimer Spielmacher gehörten bisher meist zum Besten, was die Liga auf dieser Position zu bieten hatte. Barton scheut diese Vergleiche nicht. An seiner zweiten Station in Deutschland will er endlich zeigen, was in ihm steckt. Nicht nur weil er Land und Leute hier mag, die schwedischen Verhältnissen so ähnlich seien. Auch, weil er bisher wenig Gelegenheit dazu hatte. Unter Dirk Bauermann vergangenes Jahr in Würzburg blieb er als Back-up reduziert auf Defensivaufgaben. Drecksarbeit, die keiner sieht. „Anton“, sagt er, „hat mich wegen meiner Stärken geholt.“ Zeigen konnte er die allerdings bisher noch kaum. Nach einem vielversprechenden Start im ersten Testspiel gegen Crailsheim, musste er beim Turnier in den Niederlanden schon nach wenigen Minuten mit Adduktorenproblemen vom Feld. Eine Verletzung, die langwierig und problematisch sein kann. Barton sagt: „Ich mache mir keine Sorgen, höre genau auf meinen Körper. Wenn ich spiele, dann bin ich auch hundertprozentig fit.“

Während des Kennenlerngesprächs in der Redaktion klingelt sein Handy. Er entschuldigt sich kurz. Der Papa ist dran. „Er hat mir viele Türen geöffnet und mir geholfen, meine Stärken zu erkennen“, meint Barton junior, nachdem er das Gespräch beendet hat. Seine Stärken, das sind seine Spielübersicht und sein unbedingter Siegeswille. Mit 1,93 Meter ist er relativ groß für einen Spielmacher. Dadurch nicht der Schnellste, das weiß er, aber ein umsichtiger Passgeber. Mit knapp sechs Assists und 19 Punkten im Schnitt war er voriges Frühjahr für die Sundsvall Dragons gleichzeitig Schwedens gefährlichster Werfer im Aufbauspiel. Barton, dem sein Trainer einen „hohen Basketball-IQ“ bescheinigt, glaubt, die richtige Balance zu kennen. „Man darf nicht egoistisch sein im Spiel“, sagt er, „aber, wenn sich die Chance bietet, muss man sie aggressiv nutzen.“ Sein Ziel mit Kirchheim: „Ich finde, wir sind ein Play-off-Team“, sagt Barton. „Auf jeden Fall, glaube ich, sind wir mental ziemlich stark.“Bernd Köble