Lokalsport

Der Zielbogen ist in Sicht

Mountainbike Manuel Fumic könnte am Sonntag in Albstadt zum vorletzten Mal beim Heimweltcup starten. Nach Olympia 2020 soll endgültig Schluss sein. Von Bernd Köble

Schauplatz Bullentäle: Im vergangenen Jahr wurde Manuel Fumic in Albstadt Neunter. Foto: Lynn Sigel
Schauplatz Bullentäle: Im vergangenen Jahr wurde Manuel Fumic in Albstadt Neunter. Foto: Lynn Sigel

Ende März ist er 37 Jahre alt geworden, er geht in seine 19. Saison als Mountainbike-Profi und wird in wenigen Wochen zum dritten Mal Papa. Länger als Manuel Fumic sind nur die beiden Franzosen Julien Absalon und Miguel Martinez im Geschäft, und die sind in ihrem Heimatland im Sport längst Legenden. Wann ist die Zeit gekommen, um ans Aufhören zu denken? Manuel Fumic hat diese Frage lange vor sich hergeschoben und im vergangenen Jahr auf seine ganz eigene Art beantwortet. Seine Vertragsverlängerung mit Cannondale bis zum Jahr 2020 hat eine klare persönliche Zielmarke mitfixiert: die Olympischen Sommerspiele in Tokio - es wären Fumics fünfte nach Athen, Peking, London und Rio.

Er wirkt aufgeräumt, und die Sätze sprudeln druckreif wie immer. Frisch geduscht nach einer wie er sagt „hammerharten“ Trainingseinheit am Hepsisauer Berg sitzt Deutschlands erfolgreichster Mountainbiker gut gelaunt am Tisch in der Redaktion. Draußen treibt der Mai seltsame Blüten. Die Temperaturen bewegen sich im knapp zweistelligen Bereich. Es regnet. Zwei Stunden zuvor hat er sich bei Krafteinheiten bis an die Grenze zum Erbrechen gequält. Dann riss die Wolkendecke überm Lindachtal für kurze Zeit auf und tauchte das Albvorland in grelles Sonnenlicht. Der Gedanke, der ihm auch nach zwei Jahrzehnten in solchen Momenten durch den Kopf schießt: Was für ein geiler Job. „Dann bin ich immer wieder froh und dankbar, dass ich das machen darf“, meint er.

Der Hunger nach Erfolgen, die Lust an der Selbstoptimierung, all das ist noch immer da. Wenn am Sonntag (14.35 Uhr) die Weltcup-Saison mit dem Heimrennen in Albstadt beginnt, leuchten seine Augen wie beim ersten Mal. Vergangenes Jahr war er dort Neunter, wurde von mehr als 15 000 Zuschauern im Bullentäle über die Strecke getrieben. Ein Platz in den Top Ten ist auch am Sonntag sein Ziel. Sieben Stationen stehen bis zum Weltcup-Finale am 8. September in den USA im Kalender.

Für Fumic geht es auch darum, dorthin zurückzukehren, wo er war: unter die besten zehn in der Weltspitze. Vergangenes Jahr startete er als Achter der Weltrangliste in die Saison. Nach zwei verpassten Weltcups wegen Rückenproblemen fiel er auf Platz 24 zurück. Im vorolympischen Jahr kämpfen die nationalen Verbände wie immer um Startplätze bei den Spielen, und wie immer führt hierzulande an Manuel Fumic kein Weg vorbei. Talente gibt es viele, doch keiner, der ihm auch im vierten Lebensjahrzehnt die Rolle des Leaders streitig machen könnte. Die Frage, die sich vor Olympia seit knapp zwei Dekaden stellt: Wer ist die Nummer zwei?

Ein großer Titel fehlt

Fumic weiß, dass er auch Kritiker hat. Er war U23-Welt- und -Europameister, 2013 Vizeweltmeister und stand mehrmals im Weltcup auf dem Podium. Dass es zu einem großen Titel oder einer olympischen Medaille in seiner langen Karriere bisher nie gereicht hat, kreiden ihm manche als Makel an. Er sagt: „Viele wissen nicht, was es bedeutet, über einen so langen Zeitraum auf diesem Niveau zu bestehen.“

Das Notwendige den körperlichen Veränderungen anzupassen, ist das, was seinen Alltag heute bestimmt. Und er geht mit derselben Akribie und gleichzeitig Lockerheit daran wie immer. Die Regenerationsphasen werden länger, der Körper reagiert anders auf Reize als früher. Es geht um Trainingsökonomie und darum, die richtige Balance zwischen Sport, Repräsentationspflichten und der Familie zu finden. Trotzdem sagt er: „Ich fühle mich noch immer in der Lage, um den Sieg mitzufahren. Sonst würde ich das Ganze ja nicht machen.“

Erfahrung und ein Team, das ihm den optimalen Rahmen bietet, wiegen vieles auf. Mit der US-Radschmiede Cannondale geht der Kirchheimer in seine zehnte Saison. Dort findet er Trainingsbedingungen und ein Umfeld, um die ihn viele seiner Kollegen beneiden. In Südafrika, wo das Team ein Winterquartier unterhält, verbringt Fumic jedes Jahr vor Saisonstart etliche Wochen - umringt von Mechanikern, Konstrukteuren, Betreuern und Physiotherapeuten. Dort wird trainiert, Material getestet und weiterentwickelt. Der Mountainbikesport ist längst zu einem gewichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Nicht nur, aber auch dank Rennen wie dem Cape Epic, das seit 2004 nicht nur die besten Sportler für eine Woche ans Kap lockt, sondern auch potente Werbepartner aus der ganzen Welt. Gemeinsam mit seinem brasilianische Teamkollegen Henrique Avancini war Fumic Mitte März dort Zweiter hinter dem siebenfachen Schweizer Weltmeister und Olympiasieger Nino Schurter und seinem Partner Lars Forster.

Wie es weitergeht, wenn nach Tokio tatsächlich Schluss sein sollte? Ohne die zwei Räder, die für ihn so lange buchstäblich die Welt bedeuteten, wird es auch dann nicht gehen. Ob als Markenbotschafter für Cannondale oder anderswo in einer Welt, in der das Fahrrad als wichtiger Teil umweltverträglicher Mobilität an Bedeutung gewinnt. Ideen habe er schon viele im Kopf, sagt Manuel Fumic. „Das muss erst noch wachsen.“ So wie Hugo und Coco, die bald ein Geschwisterchen bekommen werden. Die Familie ist ihm heilig, auch wenn im Moment kaum Zeit dafür bleibt. Eine der Aufgaben, auf die er sich freut - nach 2020.

E-Bike-Premiere in Albstadt

Beim Weltcup-Auftakt am Wochenende in Albstadt wird im Rahmenprogramm zum ersten Mal ein E-Bike-Rennen ausgetragen werden. Die beiden Rennen der Frauen und Männer sind am Samstag die Generalprobe für die erste offizielle E-MTB-Weltmeisterschaft des Weltverbands UCI Ende August im kanadischen Mont Sainte Anne.

Die Rennen, die um 17 Uhr beginnen, dauern eine Stunde. Erlaubt sind Motoren mit maximal 250 Watt Leistung. 2020 soll in Albstadt die Europa-Premiere einer E-WM gefeiert werden. Die UCI will zudem eine eigene Weltcup-Serie einführen.bk