Lokalsport
Die „Fackel“ brennt wieder

Handball Mit Bruno Rieke ist der Glaube an den Verbandsliga-Klassenerhalt beim VfL zurückgekehrt. Für den 59-Jährigen ist es ein Drahtseilakt zwischen neuem Geist und dem Zerfall der Mannschaft. Von Bernd Köble

Spitznamen brockt man sich ein oder man verdient sie sich sauer. Bruno Rieke hat sich in seiner langen Handballkarriere für Letzteres entschieden. Anfangs grob unterschätzt, am Ende allseits respektiert und gefeiert. Der einst spindeldürre Außen mit den pfeilschnellen Beinen hat als Spieler und Trainer so ziemlich alle Höhen und Tiefen durchlebt. Während glorreicher Oberliga-Zeiten im Trikot des VfL Kirchheim oder als sportlich Verantwortlicher auf der Bank der SG Lenningen. Zwei Monate vor seinem 60. Geburtstag ist „Fackel“ plötzlich zurück im Geschäft. Als Retter und Motivator, als Rückkehrer, der seine alte Liebe VfL vor dem Absturz retten soll. 

Der VfL und die Verbandsliga, das war Ende Februar ein Kapitel, das für die meisten Beobachter beendet schien. Das 14:26 im Nachholspiel unter der Woche gegen das Team Esslingen war nicht nur die neunte Niederlage in Serie, sondern auch der Tiefpunkt der gesamten Saison. Inzwischen lebt die Hoffnung, dass es der Wendepunkt war. Seit Rieke als Co-Trainer auf der Bank sitzt, gewinnt der VfL Spiele – gegen Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte.

Was also ist passiert? „Er kann die Mannschaft motivieren, er strahlt Autorität und Erfahrung aus, und er sorgt dafür, dass Handball wieder Spaß macht“, bringt es Julian Mikolaj als einer der Dienstältesten im Team auf einen knappen Nenner. Ein neuer Geist, von dem Kirchheims Kapitän Robin Habermeier sagt, „er trägt dich im Spiel durch schwierige Phasen.“ Der beste Beweis dafür: Der VfL holt nicht nur wichtige Punkte, er gewinnt Spiele, die hart umkämpft sind. Dass die Mannschaft wieder als Einheit auftritt, belegt auch die Liste der Torschützen, die deutlich länger geworden ist. Ein weiterer entscheidender Punkt: Seit Rieke von der Bank aus das Geschehen lenkt, hat Chefcoach Dominik Merkle als Spielgestalter auf dem Feld den Kopf frei.

Rieke als Minimalist mit maximalem Erfolg. Nur einmal in der Woche übernimmt er das Training. Am Wochenende sitzt er auf der Bank. Das muss reichen. Als bekannt wurde, dass er dem VfL aus der Klemme hilft, stand das Telefon zu Hause nicht mehr still. Vereinsanfragen, konkrete Angebote für einen Trainerjob
 

"Wir brauchen noch sechs Punkte.
Bruno Rieke
Der neue Co-Trainer des VfL glaubt fest an den Klassenerhalt.
 

in der neuen Saison. „In acht Wochen ist wieder Schluss“, hat der Familienmensch Rieke für sich selbst längst die Linie gezogen. Demnächst wird er zum zweiten Mal Opa, er will sich um die Enkel kümmern, die beiden Söhne unterstützen, die im Handball und Fußball erfolgreich unterwegs sind. „Das hat für mich Priorität“, sagt er. „Zeit kann man sich nicht kaufen.“ 

Bis dahin gilt es, den VfL in der Spur zu halten. Das heißt: am Sonntag zwei Punkte beim Tabellennachbarn in Lauterstein zu entführen, Anfang April einen Sieg beim derzeit Vorletzten in Alfdorf. Soweit der Pflichtteil. Darüber hinaus soll im knüppelharten Restprogramm gegen die Topteams aus Reichenbach, Steinheim, Unterensingen oder Köngen noch mindes­tens ein Überraschungserfolg herausspringen. „Wir brauchen noch sechs Punkte“, legt Rieke seine Rechnung für die verbleibenden sechs Spiele offen. „Damit wären wir durch.“

Die Frage, die dann bleibt: Was kommt danach? Ob der Klassenerhalt überhaupt ein lohnendes Ziel ist, fragen sich im VfL inzwischen viele. Spielertrainer Dominik Merkle wird den Verein in Richtung Neuffen verlassen. Torhüter Sebas­tian Lorenz hat bereits beim TSV Wolfschlugen unterschrieben. Patrick Lippkau wird mit dem TSV Weilheim in Verbindung gebracht und Robin Habermeier und Dominik Burkhardt werden dem VfL ohne klares Ziel bisher ebenfalls den Rücken kehren. Gleichzeitig sind mit Julian Mikolaj, Alexander Schwarzbauer, Peter Sadowski und Martin Rudolph vier, die den Neuaufbau mitgestalten müssten, jenseits der 30 und damit im handballerischen Vorruhestandsalter. Aus der zweiten Mannschaft kommt zu wenig. Bis die Nachwuchsarbeit Früchte trägt, müssten zwei Jahre überbrückt werden.

Der VfL braucht also frisches Blut. Ein schwieriges Thema, nicht nur weil es an den Grundfesten bisheriger Prinzipien rüttelt. Die ungeklärte Trainerfrage und das Harzverbot in städtischen Hallen machen es zusätzlich schwer, ambitionierten Spielern eine Perspektive zu bieten. Dass der neue Geist und ein möglicher Klassenerhalt den einen oder anderen Abwanderungswilligen umstimmen könnten, ist eine Hoffnung, die bleibt. Bruno Rieke jedenfalls hat bisher alles richtig gemacht. „Wenn ich mich als ungeschlagener Trainer in dieser Saison verewigen wollte“, meint er grinsend, „dann müsste ich jetzt abtreten.“

So wollen sie spielen

VfL Kirchheim: Lorenz, Kruschina, Mikolaj, Habermeier, Rudolph, Weber, Sadowski, Schwarzbauer, Gotthardy, Tombrägel, Kornmann, Burkhardt, Real