Lokalsport

Die längste Fanmeile der Ostalb

Im Feierstress: Dorfmerkingens Coach Helmut Dietterle.Foto: Eibner
Im Feierstress: Dorfmerkingens Coach Helmut Dietterle. Foto: Eibner

Platz drei in der Landesliga ist aller Ehren wert. Aber leider nicht das, was man wollte. Sechs Punkte fehlten Weilheims Fußballern zur Verbandsliga-Relegation. Gerade so viel, wie der TSV in den beiden Spielen gegen die Sportfreunde Dorfmerkingen (0:1 und 1:2) liegen gelassen hat. Der Flecken nördlich von Neresheim mit seinen knapp 1 000 Seelen ist in diesen Tagen nicht nur in Weilheim in aller Munde. „Wir haben eine Traumwoche hinter uns“, strahlt Abteilungsleiter „Charly“ Böss. Das ist fast noch untertrieben. „Ein Märchen“, schwärmt Trainer Helmut Dietterle.

Der alte VfB-Recke und seine Jungs kommen seit Tagen aus dem Feiern nicht mehr heraus. Für Dietterle, einem der gegen Würzburg geladenen Aufstiegshelden von 1977, begann die Party bereits mit der zweiten Stuttgarter Rückkehr in die Bundesliga. Der 65-Jährige hat in seiner Trainerlaufbahn schon viel erreicht. Siebenmal Meister und Aufsteiger mit Aalen, Heidenheim, Essingen, Hofherrnweiler und Dorfmerkingen. Dreimal Landespokalsieger. Doch der Triumph seiner Underdogs im Finale um den WFV-Pokal gegen die Stuttgarter Kickers war „das Allergrößte, was ich im Fußball je erlebt habe.“

„Mit dem Sieg gegen die Kickers hat er sich auf der Ostalb unsterblich gemacht“, meint sein Weilheimer Kollege Chris Eisenhardt. TSV-Spielleiter Günther Friess schickte per „Whats­App“ Glückwünsche an Abteilungsleiter Karl „Charly“ Böse, den er in den sieben gemeinsamen Jahren in der Landesliga kennen und schätzen gelernt hat.

Umjubelter Pokalheld auf der Waldau war der dreifache Torschütze Fabian Weiss. Er kickte einst mit Nationaltorhüter Bernd Leno beim VfB, wurde mit ihm deutscher B-Junioren-Meister. Weiss war es auch, der seinen Kumpel Niklas Weissenberger zu einem Wechsel von Würzburg nach Dorfmerkingen animierte. Ein Glücksgriff, wie sich schnell herausstellte. Der Knipser aus Franken ist mit 20 Toren Schützenkönig der Landesliga, Staffel 2.

Der Pokalsieg spülte rund 150 000 Euro in die schwindsüchtige Vereinskasse. „Das ganze Geld ist schon verplant“, sagt Charly Böss. „Die Kabinen sind zu klein. Der Kunstrasen muss erneuert werden. Unser Platz hat zwei Meter Gefälle. Wir könnten Millionen vertragen.“

Nach der Rückkehr der Mannschaft und ihrer rund tausend Fans aus Stuttgart ging es erst richtig los. Im Ort war Feuerwehrfest zur Einweihung des neuen Spritzenwagens. Das ganze Dorf war bis weit nach Mitternacht auf den Beinen. Natürlich auch die Spieler. Am folgenden Tag standen sie Spalier bei der Hochzeit ihres Torhüters Christian Zech. Doch Dietterle kannte kein Pardon. Obwohl hundemüde, mussten sie noch am selben Abend zu einer Trainingseinheit auf den Platz. Im vorletzten Ligaspiel in Hofherrnweiler brauchten seine Jungs noch mindestens einen Punkt, um Verfolger Heiningen auf Distanz zu halten.

„In der Gluthitze hat der Gegner dann von der ersten Sekunde an Gas gegeben. Meine Spieler waren platt und sind schier umgefallen“, berichtet Dietterle. Sie blieben standhaft. Weissenberger erlöste Dorfmerkingen mit dem 1:1. Vor dem letzten Heimspiel gegen Nürtingen hat die Mannschaft weiterhin drei Punkte Vorsprung gegenüber Heiningen und ist bei elf Toren Plus nach menschlichem Ermessen nicht mehr einzuholen. Am Samstag kann die nächste Feier steigen. Vermutlich nicht die letzte: Am 11. Juni wird im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund die erste DFB-Pokalrunde ausgelost. Dann wird ganz Dorfmerkingen gespannt vor den Fernsehern sitzen und Daumen drücken. Kriegen wir die Bayern? Oder Dortmund? „Red Bull wäre auch nicht schlecht. Wir brauchen wieder was zum Trinken“, sagt ein gewitzter Leipzig-Fan. Und Charly Böss meint: „Den VfB würden wir zur Not auch noch nehmen.“

Klaus Schlütter