Lokalsport

„Die Meile“ - nicht mehr und nicht weniger

Radsport Das Bergzeitfahren feiert mit der 20. Auflage morgen einen runden Geburtstag. Zwei Jahrzehnte, in denen sich wohltuend wenig verändert hat. Von Bernd Köble

Der einsame Kampf gegen die Schwerkraft: Auf der Bissinger Meile ist Leidensfähigkeit gefragt.Foto: Deniz Calagan
Der einsame Kampf gegen die Schwerkraft: Auf der Bissinger Meile ist Leidensfähigkeit gefragt.Foto: Deniz Calagan

Mit 20 Jahren hat man im Radsport noch Luft nach oben. Voll im Saft, aber kaum Erfahrung. Was für junge Himmelsstürmer auf zwei Rädern gelten mag, gilt für die Macher der Bissinger Meile keinesfalls. Im Orga-Team des wohl kuriosesten Radrennens in der Region schart Franziska Maier, Chefin der Alpin- und Radsportabteilung im TV Bissingen, eine Handvoll alte Hasen um sich. Radsportler aus Passion sind sie alle. Daran geglaubt, dass eine spontane Schnapsidee zwei Jahrzehnte überdauern würde, hat keiner. Morgen am Sonntag ist es tatsächlich soweit (Start von 9 bis 15 Uhr). Dann heißt es am Radweg zwischen Bissingen und Neidlingen zum 20. Mal: In die Pedale treten, bis das Laktat in die Beine schießt und die Lungenflügel rasseln. 1,5 Kilometer zunächst sanft, dann immer erbarmungsloser bergauf. Maximal 6,6 Prozent Steigung, knapp 100 Höhenmeter sind es nur, aber die haben es in sich.

Manche Sportevents sind rasant gewachsen, nicht wenige haben dabei Ideale und Unschuld verloren. Die „Meile“ ist geblieben, was sie von Beginn an war: ein Familienfest für Aktive, ein Wettstreit mit einem Augenzwinkern und eine seriöse Herausforderung für alle, die es wissen wollen. Anfangs war nur Staunen, als die „Meile“ Jahr für Jahr mehr Teilnehmer an den Start lockte, erinnert sich Rolf Braun. Der Mittsechziger, der fast jeden Alpenpass aus der Sattelperspektive kennt, war von Beginn an dabei. Irgendwann sei der Entschluss gefallen: „Never ­change a running system.“

Seit 2016 immer sonntags

Geändert hat sich tatsächlich wenig. Die Rote vom Grill im winzigen Festzelt an der Strecke stammt vom selben Metzger, der Kuchen ist selbst gebacken. Seit einigen Jahren bietet der Kirchheimer Radhändler Fischer und Wagner die neuesten Modelle zum Probefahren an, und an der Strecke steht seit vorigem Jahr eine digitale Tafel, die das Tempo der vorbei zischenden Zeitenjäger aufleuchten lässt. Die vielleicht gravierendste Veränderung gab es im vergangenen Jahr, als die Bissinger Meile zum ersten Mal vom Traditionstermin an Fronleichnam auf den Sonntag danach verschoben wurde. Ein Termin, den man nun beibehalten will. Aus einem Grund, den Andreas Henssler aus eigener Erfahrung kennt: „Viele Radbegeisterte wären gerne dabei, sind in den Pfingstferien aber verreist“, sagt der stellvertretende Abteilungsleiter.

Zumindest im vorigen Jahr war von der Magnetkraft des Sonntags noch wenig zu spüren. Mit 160 Startern ein eher durchschnittliches Jahr. Nach der Premiere im Juni 1998 mit damals 102 Teilnehmern kletterte diese Zahl kontinuierlich. Bei der 7. Auflage 2004 knackten die Bissinger erstmals die 200-Starter-Marke. Drei Jahre später waren bei strahlendem Sonnenschein 225 Radler dabei - bisheriger Rekord.

Von der Stammtischwette zum lokalen Rad-Event

Schuld an allem hat Ernst Pangerl. „Dr Dutzad“, wie der Mann mit dem Graubart in Bissingen heißt, hat weder dutzendfach Rad-Trophäen daheim im Schrank, noch wäre bekannt, dass er ein Dutzend Grundstücke auf Bissinger Markung besäße.

Braucht er auch nicht. Ein Baumwiesle reicht, um in der Gemeinde am „Sai“ lokale Sportgeschichte zu schreiben. Ein fast schnurgerades Asphaltband mit einem sachten Rechtsknick führt vom Dachsbühl hinauf zu jenem Flurstück zu Füßen des Breitensteins. Die Frage, die Rad-Fan Pangerl und die Seinen irgendwann umtrieb, war unausweichlich: Wie viel Zeit und Beinschmalz von A wie (D)achsbühl nach B wie Baumwiesle man wohl liegen ließe, würde man‘s drauf anlegen.

Aus der Frage wurde eine Wette. Pangerls Selbstversuch taucht mit respektablen 3,30 Minuten heute zwar in keiner Siegerliste auf, gilt aber als der eigentliche Ur-Rekord. Von der spinnerten Idee zum lokalen Rad-Event, das an guten Tagen mehr als 200 Freizeitsportler an den Start lockt, war es nur ein kurzer Weg. Liebenswürdig und ein bisschen verrückt. So wie die Bissinger.bk