Lokalsport

Die Segelflieger spielen auf Zeit

Corona-Krise Ob die 54. Auflage des Hahnweidewettbewerbs stattfindet, wollen die Verantwortlichen erst zwei Wochen vor Beginn im Mai entscheiden. Von Peter Eidemüller

Während des Hahnweidwettbewerbs herrscht nicht nur am Himmel über Kirchheim Hochbetrieb - ob das Kräftemessen der weltbesten Seg
Während des Hahnweidwettbewerbs herrscht nicht nur am Himmel über Kirchheim Hochbetrieb - ob das Kräftemessen der weltbesten Segelflieger in diesem Jahr stattfinden kann, steht noch in den Sternen. Foto: Markus Brändli

Das größte Kräftemessen der Segelflug-Welt steht auf der Kippe: Wegen der Coronakrise droht die 54. Auflage des Hahnweidewettbewerbs vom 16. bis 23. Mai ins Wasser zu fallen. Offiziell abgesagt hat die veranstaltende Fliegergruppe Wolf Hirth den 105 Teilnehmern noch nicht, die Verantwortlichen haben die Entscheidungsfrist auf 1. Mai gesetzt. „Aber die Hoffnung, dass der Wettbewerb stattfinden kann, schwindet Tag für Tag“, seufzt Tilo Holighaus, Segelflug-Urgestein aus Kirchheim und einer der Organisatoren des Events.

Der amtierende Weltmeister und Chef des Flugzeugbauers Schempp Hirth (siehe Artikel unten) schätzt die gesundheitlichen Risiken beim Fliegen selbst zwar eher gering ein („alleine im Cockpit stecke ich niemanden an“), weiß aber um das Gefahrenpotenzial vor und nach dem sportlichen Teil: „Beim Hahnweidewettbewerb geht es viel um das Gesellige“, weiß Holighaus, „hier kommen Flieger aus aller Welt zusammen, um Kontakte zu pflegen.“

Zumal der Wettbewerb vor den Toren Kirchheims vielen Piloten als Generalprobe für die Deutschen Meisterschaften im Sommer in Stendal hätte dienen sollen. „Wir hätten eine der höchsten Leistungsdichten weltweit bei uns gehabt“, klagt Tilo Holighaus, der den Konjunktiv ganz bewusst wählt: „Wir bereiten uns seelisch und moralisch darauf vor, dass wir unserem geliebten Sport vorerst nicht nachgehen können.“

Bis Anfang der Woche war ein Verbot von offizieller Seite zwar noch kein Thema, eine Tendenz allerdings klar erkennbar: „Wir empfehlen allen unseren Luftsportvereinen, bis auf Weiteres die fliegerischen Aktivitäten und den Flugbetrieb einzustellen“, sagt Klaus Michael Hallmayer, Geschäftsführer Baden-Württembergischer Luftfahrtverband (BWLV).

Tilo Holighaus ist davon nicht nur als passionierter Pilot, sondern auch als Betreuer der deutschen Juniorennationalmannschaft betroffen: „Wir hätten demnächst eigentlich ein Trainingslager in der Slowakei gehabt, aber ich gehe stark davon aus, dass das gecancelt wird.“

Immerhin: Was ihm bei aller Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Hahnweidwettbewerb bleibt, ist die Erinnerung an den vergangenen Sonntag - da war Tilo Holighaus bei Topbedingungen gemeinsam mit seiner Tochter im Segelflieger unterwegs. „Das hab‘ ich in vollen Zügen genossen“, schwärmt er, „auch wenn ich mich gefragt habe, wann ich das wieder genießen kann.“

Die Krisenmanager aus der Krebenstraße

Kirchheim. „Ein Flugzeug kann man nicht im Homeoffice bauen“ - die arbeitstechnischen Maßnahmen, die im Zuge der Coronakrise allerorten ergriffen werden, sorgen bei Tilo Holighaus nur für Schulterzucken. Zwar hat der Chef der Kirchheimer Segelflugfirma Schempp-Hirth die meisten Büroangestellten seiner knapp 100-köpfigen Belegschaft in Heimarbeit geschickt. „Der Großteil arbeitet bei uns aber in der Fertigung, und da geht das eben nicht.“

Trotzdem sieht Holighaus das Risiko für seine Mitarbeiter gering. „Hygiene wird bei uns schon immer groß geschrieben. Die einzelnen Abteilungen sind ohnehin voneinander getrennt, die Gefahr der Infizierung ist relativ klein.“

Weitaus größer sind die logistischen Herausforderungen, vor die der Flugzeugbauer von der Coronakrise gestellt wird. „Wir haben aktuell viele Maschinen bei uns zur Wartung, die zuletzt auf der Südhalbkugel im Einsatz waren, aber deren Piloten nicht aus ihren Heimatländern ausreisen dürfen, um sie abzuholen“, berichtet Holighaus. Beispiel Wolfgang Janowitsch: Der amtierende Weltmeister aus Österreich darf die Alpenrepublik nicht verlassen, sein „Arcus“ steht nun unbestimmte Zeit in der Kirchheimer Krebenstraße.

Ein weiteres Problem: Lieferketten: Schempp-Hirth bezieht unter anderem Teile aus Tschechien. Da LKW-Fahrer im schlimmsten Fall nach Überqueren der deutschen Grenze nicht wieder in ihre Heimat zurückkommen könnten, spielt Tilo Holighaus Alternativen durch: „Denkbar wäre, die Teile an der Grenze auf die Schiene umzuladen, um sie per Bahn zu uns zu bringen.“ Peter Eidemüller