Lokalsport

Ein erster Flirt mit Olympia

Wintersport Der 17-jährige Kirchheimer Jan Andersen startet für das deutsche Team in der Nordischen Kombination im Januar bei den Winter-Jugendspielen im schweizerischen Lausanne. Von Bernd Köble

Vorfreude auf Olympia: Für den Kirchheimer Jan Andersen sind die Jugend-Winterspiele im Januar in Lausanne das größte Sportereig
Vorfreude auf Olympia: Für den Kirchheimer Jan Andersen sind die Jugend-Winterspiele im Januar in Lausanne das größte Sportereignis in seiner noch jungen Karriere als Nordischer Kombinierer.Foto: Torill Andersen

Nicht nur Romantiker träumen von weißer Weihnacht. Mancher Wintersportler sitzt ohne die Flockenpracht schlichtweg auf dem Trockenen. Wenn Jan Andersen aus dem Fenster seines Zimmers im Ski-Internat in Furtwangen schaut, dann fällt sein Blick an diesem Tag auf weiße Baumwipfel. Im Hochschwarzwald hat es eine Woche vor Weihnachten tatsächlich geschneit. Viel ist es nicht, wie lange die weiße Pracht bleiben wird, weiß keiner. Draußen zeigt das Thermometer deutliche Plusgrade an.

Die Hoffnung ist groß, dass dies in wenigen Wochen im schweizerischen Lausanne anders sein wird. Wenn dort vom 9. bis 22. Januar die Olympischen Winterspiele der Jugend stattfinden werden, ist Jan Andersen dabei. Für den 17-Jährigen aus Kirchheim ist es der Höhepunkt in seiner bisherigen Karriere als nordischer Kombinierer. Bei der Jugend-WM Mitte März in Oberwiesenthal darf er sich zwar ebenfalls Hoffnungen auf einen Startplatz machen, doch die Weltmeisterschaften finden jährlich statt, Olympia ist nur alle vier Jahre. „Hier dabei sein zu dürfen, ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt er.

Überraschend kam seine Nominierung nicht. Im Deutschlandpokal und im Alpencup war er dieses Jahr einer der Besten im Nachwuchskader des DSV. Mit dem gleichaltrigen Lennart Kersting vom SK Winterberg streitet er sich um die Führungsrolle im Jahrgang 2002. Dass er sich auch gegen Ältere behaupten kann, hat er im Oktober bewiesen: Platz vier bei den Deutschen-Juniorenmeisterschaften in Klingenthal war nicht nur die Krönung einer erfolgreichen Saison, sondern auch der Lohn für harte Arbeit seit er im Sommer 2016 als 14-Jähriger vom Kirchheimer Schlossgymnasium aufs Ski-Internat in den Schwarzwald gewechselt ist. Bereut hat er diesen Schritt nie, auch wenn er früh kam, wie viele meinten. Es zeugt von Reife, wenn er sagt: „Hier habe ich viel mehr Qualität im Training. Zuhause wäre das nie möglich gewesen.“

Zuhause, das ist in Jesingen, wo die Familie lebt. In Sichtweite der Walter-Jacob-Halle, wo Jan bis zur C-Jugend das Handballtrikot des VfL Kirchheim trug. Sein älterer Bruder spielt dort noch heute in der zweiten Mannschaft. Überhaupt war der Handballsport lange Zeit ein Fixpunkt im Alltag der Andersens. Die Eltern lernten sich auf diesem Weg kennen. Die Mutter stieg mit der TG Nürtingen bis in die Regionalliga auf. Der Vater spielte nach seinem Abschied vom VfL jahrelang in Unterensingen.

Doch immer schon gab es eine zweite Leidenschaft neben dem Handball: Wenn Wintersport im Fernsehen lief, dann war das immer Familienprogramm. Jans Mutter stammt aus Norwegen, wo Neugeborene mit Langlaufskiern an den Füßen zur Welt kommen, wie manche behaupten. Schon der Opa sprang mit Skiern von der Schanze. „Irgendwann war klar: Das will ich auch machen,“ sagt Jan, der als Dreijähriger zum ersten Mal auf Brettern stand und dessen Mut schon auffiel, als er mit sechs Jahren in Wiesensteig die ersten Hopser vom Schanzentisch wagte. Danach ging es ziemlich schnell. Mit seinem Eintritt ins Teenageralter konnte er bereits mehr als 300 Wettkämpfe vorweisen.

Freie Hand und maximale Unterstützung - das ist, was Eltern bestenfalls geben können und wofür er heute dankbar ist. Fahrten zu weit entlegenen Wettkampfstätten, ins Training nach Hinter­zarten oder teure Ausrüstung - darüber wurde nie geredet. Man hat es einfach gemacht. „Meine Eltern haben immer für den Sport gelebt“, sagt er.

Rückschläge durch Verletzungen

Eine Unterstützung, die ihn stark gemacht und ihm geholfen hat, auch Krisen zu meistern. Einem Kreuzbandriss vor zwei Jahren folgte vergangenen Winter eine Operation am Meniskus. Beides hat ihn ausgebremst. Vom Weg abbringen konnte es ihn nicht. Beharrlichkeit, Vertrauen und Willensstärke sind Eigenschaften, die im Sport den Unterschied machen, die darüber entscheiden können, wer es nach ganz oben schafft oder eben nicht. „Jan ist ein akribischer Arbeiter, das zeichnet ihn aus“, sagt Landestrainer Thomas Krause. „Das Talent hat er ohnehin.“

Ein Platz im A-Kader ist der Traum eines jeden Jüngeren. Dort, wo Stars wie Eric Frenzel, Fabian Rießle oder Johannes Rydzek international Maßstäbe setzen. Vorbilder, die auch Jan auf Lehrgängen trifft und von denen man sich - wie er sagt - so manches abschauen kann. Irgendwann wird diese Generation ihren Platz räumen. Vielleicht schon nach den Winterspielen 2022 in Peking. „Dann steht die Tür weit auf, und es muss sich zeigen, wer hindurch geht,“ sagt Krause Der Schritt ist groß, doch der Trainer traut ihn seinem Schützling zu. „Vorausgesetzt er schafft es, mit seiner Leistung zum richtigen Zeitpunkt auf dem Höhepunkt zu sein.“

Lausanne wird nun zum ersten Kräftemessen mit internationaler Konkurrenz. Wie stark sie sein wird, weiß keiner. Einen Platz unter den besten Zehn hat sich der Kirchheimer auf jeden Fall zum Ziel gesetzt. Ein guter Springer war er schon immer, ein guter Läufer ist er geworden. „Mit etwas Glück,“ sagt er, „ist vielleicht auch ein Top-Fünf-Ergebnis drin.“

Olympische Spiele erstmals in zwei Ländern

Die Winterspiele für die Jugend vom 9. bis 22. Januar in Lausanne sind erst die dritten dieser Art im olympischen Kalender. In der schweizerischen Stadt am Genfer See ist seit 1915 der Sitz des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Gleichzeitig sind dort mehr als 40 internationale Sportverbände beheimatet.

Zum ersten Mal überhaupt in ihrer Geschichte finden Olympische Spiele in zwei verschiedenen Ländern statt. Die nordischen Kombinierer mit dem Kirchheimer Jan Andersen tragen ihre Wettkämpfe gemeinsam mit den Biathleten und den Skispringern in Frankreich aus. Die Sprunganlage in Les Tuffes liegt in der französischen Gemeinde Prémanon im Département Jura. Die Nordische Kombination startet am 18. Januar mit den Einzelwettbewerben. Am 20. und 22. Januar finden die Team-Wettkämpfe statt.bk