Lokalsport

Ein Stuhl ist noch frei

Basketball: Eine Wildcard soll Anfang Juli die Lücke in der Pro A schließen

Kirchheims Zweitliga-Basketballer arbeiten mit Hochdruck an einer schlagkräftigen Mannschaft für die neue Saison. Wen es in der Pro A künftig zu schlagen gilt, ist allerdings noch immer nicht vollständig geklärt.

Der Ball ruht, doch hinter den Kulissen ist einiges in Bewegung. In der Pro¿A sind bisher 15 Startplätze für die neue Saison ver
Der Ball ruht, doch hinter den Kulissen ist einiges in Bewegung. In der Pro¿A sind bisher 15 Startplätze für die neue Saison vergeben.Foto: Jörg Bächle

Kirchheim. Mehr als zehn Wochen sind seit dem letzten Spieltag der Hauptrunde in der Pro A inzwischen verstrichen. Doch wie fast jedes Jahr heißt es abwarten, wie sich das Teilnehmerfeld künftig zusammensetzt. Bis Anfang Mai, als die Junge Liga ihre Entscheidung im Lizenzverfahren bekannt gab, galten nur elf der 16 Startplätze in der Pro A als gesichert. Inzwischen gibt es ein paar Antworten mehr auf bisher offene Fragen.

Die White Wings aus Hanau und die Dragons aus Rhöndorf werden für die finanziell angeschlagenen Cuxhavener und den Absteiger aus Ehingen nachrücken. Von Cuxhaven weiß man inzwischen, dass auch für die Pro B das Geld nicht reicht. Für den Küstenklub endet nach elf Jahren das Kapitel zweite Liga. Für Hanau dagegen ist es die Premiere in der Pro A, für Rhöndorf die Rückkehr nach vier Jahren. In der Saison 2010/11 waren die Dragons schon einmal in der zweithöchsten deutschen Spielklasse vertreten.

Als Aufsteiger sind die westfälischen Drachen, die in den Play-offs der Pro B in der ersten Runde gescheitert waren, nur vierte Wahl. Hanau und Rhöndorf profitieren vom Verzicht der besser platzierten Teams. Nachdem schon die beiden Play-off-Finalisten, die Baskets Akademie Weser-Ems/Oldenburger TB und der SC Rist Wedel kein Interesse am Aufstieg gezeigt hatten, zogen zuletzt auch die Uni-Riesen aus Leipzig ihre Bewerbung zurück. „Wir haben alles akribisch durchgerechnet“, sagt Leipzigs Geschäftsführer Mark Hoffmann. „Dabei sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die zu erwartende Lücke zu groß sein wird.“ Rhöndorfs sportlicher Leiter Boris Kaminski dagegen verteidigt die Entscheidung, auch wenn sie ein Wagnis darstellt. „Vor allem für unsere jungen Spieler wird die Pro A einen Entwicklungsschub bringen“, ist er überzeugt.

Dass es finanziell eng werden könnte, danach sah es bis vor Kurzem auch bei den Baskets in Paderborn aus, die in den vergangenen Wochen eine emotionale Achterbahnfahrt erlebten. Erst am grünen Tisch abgestiegen, dann doch gerettet, über allem die Sorge um die finanzielle Zukunft. Inzwischen steht fest, dass es in der Pro A weitergeht, nachdem auch der bisherige Hauptsponsor Finke dem Klub die Treue halten wird.

Weshalb die Liga noch immer kein klares Bild abgibt, liegt an den Wildcards, die es sowohl in der ersten wie in der zweiten Liga geben soll. In der BBL ist ein Platz frei, nachdem mit den Artland Dragons aus Quakenbrück einer der Erfolgsklubs der vergangenen Jahre freiwillig den Rückzug in die Pro B antritt. Der Tabellenletzte aus Crailsheim wäre demnach bereit, eine Viertelmillion Euro für den Ligaverbleib durch die Hintertür auf den Tisch zu blättern. Doch auch die Trierer als zweiter Absteiger haben die Hoffnung zur Stunde noch nicht völlig aufgegeben, dass doch noch einer die Schatulle öffnet und den sportlichen Absturz stoppt. Bewerberschluss für die Wildcard ist der 16. Juni. Nach der dritten Insolvenz der Trierer in der Vereinsgeschichte ist der Gang in die Pro A allerdings das wahrscheinlichere Szenario. Eine Klasse tiefer gingen die Pfälzer immerhin mit einem Etat von 1,4 Millionen Euro an den Start. Für Standorte wie Kirchheim, wo man mit weniger als der Hälfte wirtschaften muss, paradiesische Verhältnisse.

Die BBL wird bei ihrem Delegiertentreffen am 2. und 3. Juli in Braunschweig über die Wildcard-Vergabe entscheiden. In die entstehende Lücke könnten die Rhein Stars aus Köln als Neuling springen. Die Rheinländer sind nach zwei Aufstiegen in Folge zwar gerade erst in der Pro B angekommen, würden also eine Klasse überspringen. Die nötige Lizenz haben die Kölner jedoch bereits in der Tasche. Die 75 000 Euro für die Pro-A-Wildcard sind offenbar ebenfalls kein Problem. Schließlich heißt das selbstbewusst formulierte Fernziel in der Domstadt: erste Liga.

Kirchheim, Nürnberg, Jena, Gotha, Heidelberg, Essen, Hamburg, Baunach, Vechta, Paderborn, Chemnitz, Leverkusen, Trier, Rhöndorf, Hanau, Crailsheim (Köln).

Unprofessionell

Verantwortungsbewusstsein vor falschem Wagemut – Ein bemerkenswerter Satz, der vom Geschäftsführer der Leipziger Uni-Riesen, Mark Hoffmann, stammt. „Was nützt die beste Infrastruktur, wenn das Geld fehlt, um die laufenden Kosten zu decken.“ Die Leipziger Basketballer haben sich nicht verführen lassen. Obwohl die Liga ihnen die Tür zur zweithöchsten deutschen Spielklasse öffnete, werden sie kommende Saison erneut in der Pro B an den Start gehen.

Das zeugt von Besonnenheit und nüchternem Kalkül. Die Regel ist es nicht. In den Bundesligen vergeht kein Jahr, ohne dass Vereine finanziellen Schiffbruch erleiden. Nicht jeder fällt so hart wie die Bascats aus Cuxhaven. Vergangene Saison noch das Furore-Team der Pro A, das sich mit starkem Finish über die Ziellinie rettete. Im neuen Jahr droht nun ein Neustart in der Regionalliga. Oder die Artland Dragons aus Quakenbrück, jahrelang feste Größe in den Play-offs der BBL, die sich im Spätsommer nun in der Pro B neu sortieren müssen.

Nur zwei von vielen Beispielen, die dazu beitragen, dass sich ein Bild Jahr für Jahr gleicht: Kaum ist der letzte Ball durch die Reuse gezischt, beginnt in den drei Bundesligen das wilde Geschacher um Lizenzen, Startrechte und teure Wildcards. Liga-Funktionäre, Verbandsvertreter und Delegierte einer Handvoll potenter Klubs haben es eilig. Es gilt, gegenüber anderen Sportarten Boden gut zu machen, im Kampf um Zuschauer, Werbepartner und Fernsehrechte. Kurz gesagt darum, Marktanteile zu erobern. Das Druckmittel heißt Professionalisierung. Für einen Großteil der Vereine bedeutet das neben knallhartem Überlebenskampf auch, der Verlockung zu widerstehen, für das oft kurze Abenteuer existenzielle Risiken in Kauf zu nehmen.

Das gelingt nicht allen. Ohne geschönte Bilanzen und rechnerische Tricks müssten die Bundesligen auf einen beträchtlichen Teil ihrer Mitglieder verzichten. Die Folge für die Fans: Siege, die im Nachhinein nichts wert sind, Abstiege nach Rechnungsabschluss und Aufstiege per Scheckheft. In anderen Worten: Mehr Beliebigkeit, als jede Sportart auf Dauer verträgt. Das Murren wird deshalb lauter. Wer Woche für Woche Geld dafür bezahlt, seine Mannschaft zu unterstützen, der hat das Recht auf ein Mindestmaß an sportlicher Logik. Auch das ist Professionalisierung.BERND KÖBLE