Lokalsport

„Einen Tod müssen wir sterben“

Der frühe Saisonstart und seine Folgen

Die ersten Pflichtspiele während der Sommerferien bestreiten zu müssen, mag kaum ein Amateurfußballer. Trotzdem beharrt der Fußballbezirk Neckar/Fils auf den frühen Saisonstart.

Kirchheim. Früher, in den 1980er-, 1990er- und anfänglichen 2000er-Jahren, blieben die Schulferien im Sommer für aktive Amateurfußballer weitestgehend pflichtspielfrei. Heutzutage müssen die Kicker im Bezirk Neckar/Fils ihren Haupturlaub entweder verschieben oder ersatzlos streichen, wollen sie zum Saisonstart für ihre Mannschaft am Ball sein. Verreisen Spieler in den Schulferien dennoch, und eine Partie fällt deswegen aus, wird der Verein dafür sanktioniert: Spielabsagen werden in aller Regel mit 0:3-Wertungen bestraft.

Jüngster Betroffener der Bezirks-Restriktionen ist der AC Catania, der das Heimspiel gegen den TSV Jesingen am vergangenen Sonntag personalbedingt absagen musste (wir berichteten) und dafür neben der Niederlage am Grünen Tisch noch eine Geldstrafe kassierte. „Wir hatten über zwölf Ausfälle. Elf davon waren Spieler, die noch in Urlaub waren oder gerade erst zurückkamen“, wiederholte Giuseppe Forzano nochmals den Absagegrund. Der Mann, der beim AC Catania seit Jahren Hansdampf in allen Gassen ist, hatte den Personalnotstand zum Rundenauftakt am 14. August am eigenen Leib zu spüren bekommen: Da musste der 57-Jährige beim Kreisliga-A-Spiel in Dettingen (1:4) ein einsames Gastspiel auf der Catania-Einwechselbank geben. Doch es war eines mit Happy End für ihn: „Gott sei Dank musste ich nicht spielen. Es war ziemlich heiß an diesem Tag.“

Weil auch die gastgebenden Sportfreunde unter Spielermangel litten, hätten beide Clubs die Partie im Vorfeld nur zu gerne abgesagt. Doch das Vorhaben platzte. Denn an den beiden sogenannten „Pflicht-Spieltagen“ zum Saisonstart sind Verlegungen seit dem Jahr 2012 nicht mehr erlaubt. „Ohne diese Regelung würden 90 Prozent aller Begegnungen ausfallen, weil fast jeder Verein dann Spielverlegungen beantragen würde“, ist sich Bezirksspielleiter Bernd Schraitle (Beuren) über den Nutzen der Regelung sicher.

Den Einwand des Catania-Vorsitzenden Pasquale Martinelli, man könne den Pflichtspielstart doch gleich auf das letzte August-Wochenende legen, lässt Schraitle nicht gelten. „Beim Bezirkstag 2012 in Jesingen haben die Vereine sich gegen reguläre Spieltage unter der Woche ausgesprochen. Deshalb ist der auf Mitte August vorgezogene Rundenstart alternativlos. Einen Tod müssen wir sterben“, sagt er. Für ihn lassen die Mannschafts- und Matchzahlen im Bezirk Neckar/Fils – WFV-weit am größten – keinen Platz für Termindebatten. Den Catania-Spielern empfiehlt er, bei der persönlichen Jahresplanung künftig „die richtigen Prioritäten“ zu setzen, um personelle Notstände wie in den letzten Wochen zu vermeiden.

Leichter gesagt als getan. „Kein Funktionär kann den Spielern ihren Urlaubstermin vorschreiben. Wann sollen Spieler oder Funktionäre mit Kindern Urlaub machen, wenn nicht in den Schulferien?“, kontert Martinelli, der genauso wie Forzano („wir fühlen uns benachteiligt“) ziemlich gefrustet ist: Anstatt an der Tabellenspitze steht die vermeintliche Top-5-Mannschaft nach zwei Spieltagen auf dem Schlussplatz. Mitgefühl für die missliche Catania-Lage kommt vom Nachbarn: „Der Rundenstart-Termin mitten in den Sommerferien und das anfängliche Spielverlegungsverbot sind nicht gerecht. Meine Mannschaft hat durch den 4:1-Sieg über stark ersatzgeschwächte Catanesen letztlich einen Wettbewerbsvorteil, weil andere Spitzenvereine gegen stärker besetzte Catanesen wohl noch Punkte lassen werden“, bekundet Dettingens Spielleiter Thomas Beller fair.

Für ihn kam der frühe Rundenstart eine Woche nach dem Teckbotenpokal-Endspiel zur Unzeit. Wie für den Bezirksvorsitzenden Karl Stradinger (Rechberghausen). „Auch ich bin über diesen Termin nicht glücklich“, sagt er. Derzeit sehen seine Mitarbeiter aber noch keine Mittel und Wege, ihren Chef zufriedenzustellen.

Der Fußball-Bezirk Riss startet am 14. August, Rems/Murr am 11. September

Genau wie Neckar/Fils legt der Fußball-Bezirk Riss den Rundeneinstiegstermin regelmäßig auf Mitte August. „Wir müssen so früh beginnen, weil bei uns im Dezember oft Schnee liegt und die Plätze unbespielbar werden“, sagt der Bezirksvorsitzende Alois Hummler (70). Sogenannte Pflichtspieltage gibt es im kleinsten der 15 WFV-Bezirke nicht. Hummler: „Bei uns können einzelne Partien auch an den ersten Spieltagen verlegt werden, falls beide Vereine zustimmen.“ Nicht wie Neckar/Fils verfährt der Bezirk Rems/Murr: Rundenstart ist erst am 11. September. Ganz glücklich sind die Vereine über diese Spät-Regelung aber nicht, weil, wie Rems/Murr-Chef Patrick Künzer (52) erfahren hat, „unsere Mannschaften keine Testspielgegner in der Vorbereitung finden. Mögliche Gegner aus umliegenden Bezirken sind derzeit ja schon im Spielbetrieb.“ Im kommenden Jahr soll der Ligen-Start innerhalb Rems/Murr wieder Ende August erfolgen – weiterhin mit der Möglichkeit für die Clubs, Spiele zu verlegen. In Neckar/Fils herrscht unter führenden Bezirks-Funktionären Einigkeit darüber, dass ein Rundenbeginn Mitte August trotz gleichzeitig laufender Schulferien derzeit die beste Lösung ist. „Ein Starttermin Ende August wäre mir persönlich auch lieber, aber laut unserem Bezirksspielleiter gibt es aufgrund der hohen Mannschaftszahlen unter den gegebenen Umständen keine Alternative“, sagt Bezirksvorsitzender Karl Stradinger. Die Kritik am Pflichtspiel-Starttermin sowie das Verbot von Spielverlegungen an „Pflichtspieltagen“ werden weitergehen. Zumindest so lange, bis sich im Bezirk eine Vereins-Mehrheit für mehr Wochentagsspieltage, mehr Dezember-Spieltage oder eine verkürzte Winterpause findet.top