Lokalsport

Eisbären auf Puckjagd

Angefangen hat alles Mitte der Achtzigerjahre in der Dettinger Rosenstraße. Alexander Class und Stefan Epple haben dort damals mit selbst gebauten Schlägern Hockey gespielt – erst auf der Straße, später auf dem zugefrorenen Bürgersee. Sie sind die Gründerväter der Dettinger Eisbären, einer von elf Hobby-Mannschaften, die einmal pro Woche im Wernauer Eisstadion spielen.

Mit Können und Technik am Puck: Die Dettinger Eisbären frönen seit 25 Jahren ihrem Hobby in Wernau. Foto: Carsten Riedl
Mit Können und Technik am Puck: Die Dettinger Eisbären frönen seit 25 Jahren ihrem Hobby in Wernau. Foto: Carsten Riedl

Wernau. Dienstagabend, Viertel nach Sieben. Wie jede Woche gibt es ein großes „Hallo“, wenn sich nach und nach die Kabine im Wernauer Eisstadion füllt. Riesige Taschen und lange Schläger aus Holz oder mit Carbon verstärkt werden hereingeschleppt, Unmengen an Ausrüstung zutage gefördert und an den Mann gebracht. Alles in allem dauert es fast 20 Minuten, bis die Dettinger Eisbären in voller Montur auf dem Eis stehen.

Geschmeidig heben die Eishockeyspieler ihre ungelenk aussehenden Beine, die in allerhand Schützern stecken, auf die rund 1,20 Meter hohe Bande. Schläger werden hinter dem Kopf auf die Schultern gelegt und mit den riesigen Handschuhen umschlungen – Ritual zum Aufwärmen. Danach geht es Schlag auf Schlag. Aus einem aufgeschnittenen Plastikkanister purzeln unzählige Pucks, die zuerst akrobatisch übers Eis geschoben und dann Richtung Tor gedroschen werden. Bis zu 170 Stundenkilometer kann so ein Puck schnell werden. Dementsprechend ist der Geräuschpegel, wenn er gegen die Bande knallt oder die Eisenstangen der Tore trifft.

Nach ein paar kurzen Übungen beginnt das Spiel und damit der richtige Spaß für die Eisbären. „Früher waren wir noch ambitionierter, haben einige Turniere gespielt und sind bei einem internationalen sogar mal Vierter geworden“, erzählt Alexander Class, so etwas wie der Chef der Mannschaft. „Jetzt steht mehr die Kameradschaft im Vordergrund, und natürlich freuen wir uns aufs Bierchen hinterher“, grinst Class.

Zwischen 15 und 20 Spieler gehören zu den Eisbären. Nicht alle kommen aus Dettingen, viele auch aus den umliegenden Gemeinden oder sogar aus Stuttgart und von den Fildern. Ein gemischtes Grüppchen sind die Eisbären, auch was die Berufe anbelangt: Ingenieure, Studenten und Schüler, ein Betriebswirt, Metallbauer und ein Gastwirt. Trotzdem fehlt den Dettingern aber immer noch ein Torwart. „Die Sorge plagt uns schon all die Jahre. Wäre schön, wenn wir endlich einen finden würden“, wünscht sich Class.

Mittlerweile zeigt das Thermometer im Eisstadion um die Null Grad an. Der Atem hinterlässt deutliche Spuren in der Luft. Für einen Plausch an der Bande eher ungemütlich, für hungrige Eisbären dagegen die idealen Bedingungen. Auf dem Eis herrscht nun hektisches Treiben. Zwölf Mann jagen dem Puck nach, das Eis knirscht. Die blitzschnellen Manöver sind akrobatisch und für jeden Laien bewundernswert. Am Rand der Eisfläche geht es zu wie in einem Ameisenhaufen, wenn der schwere Eisenriegel vor- und zurückgeschoben wird, um die Bandentüre zu öffnen und zu schließen. Es vergeht kaum eine Minute ohne Spielerwechsel.

Trotz der eisigen Temperaturen sind die Spieler, die vom Eis kommen, total verschwitzt. So auch Christian Partl aus Holzmaden, der nach drei oder vier Minuten Einsatz keuchend die Eisfläche verlässt. „Ich war schon viel zu lange drin. Bei einem richtigen Spiel wird alle 30 bis 40 Sekunden gewechselt“, erzählt der 21-Jährige, der in seiner Jugend jahrelang beim Stuttgarter EC gespielt hat. Nach wenigen Sekunden haben sich die Spieler aber wieder erholt und schwärmen von ihrem Lieblingssport.

„In den 25 Jahren, in denen wir jetzt hier in Wernau spielen, ist das Training noch nie ausgefallen“, sagt Alexander Class. Manchmal spielen die Eisbären sogar zweimal die Woche, allerdings nur, wenn der Bürgersee zugefroren ist. Das sei dann was ganz Besonderes, nicht nur weil dort die Mannschaft entstanden, sondern auch das Eis ganz anders ist. „Dann müssen wir meist erst mal den Schnee vom Spielfeld fegen“, schmunzelt Stefan Epple, und das merke man schon in den Knochen. Ans Aufhören denken aber weder Class noch Epple, die mittlerweile Mitte 40 sind. Class will auf jeden Fall weitermachen „solang i no graddla ka“.