Lenningen/Antwerpen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge ist Thomas Schuwje von den Europameisterschaften im Rollstuhlrugby nach Oberlenningen heimgekehrt. Der 29-Jährige war von der Trainern aller zwölf EM-Teams zum besten Spieler des Turniers in seiner Schadensklasse gewählt worden, erhielt dafür einen Pokal. „Das hat zwar lange kein Deutscher mehr geschafft“, so Schuwje, „aber ich würde die Trophäe sofort gegen eine Medaille eintauschen, wenn das möglich wäre.“
Zu tief sitzt noch der Stachel nach dem Halbfinal-Aus gegen Dänemark und dem verlorenen Spiel um Platz drei gegen Großbritannien. „Wenn alle ihre Leistung abgerufen hätten, wäre mehr drin gewesen“, stellt auch Philip Örüm, Vorsitzender des Fachbereichs Rollstuhlsport im Deutschen Rollstuhl-Sportverband DRS, gleichermaßen enttäuscht wie kritisierend fest. Seiner Meinung nach ist nicht bei allen Nationalspielern der Wettkampfgedanke gleich stark ausgeprägt, da auf vielen Positionen mangels Alternativen kein echter Konkurrenzkampf herrscht – Thomas Schuwje und der in der gleichen Schadensklasse spielende Fabian Müller (Minden) ausgenommen. „Die beiden pushen sich immer gegenseitig zu noch besseren Leistungen“, lobt Örüm, der dem undankbaren vierten Platz in Belgien immer noch etwas Positives abgewinnen kann. „Immerhin haben wir damit das Ticket für die WM gesichert.“
Wenn die weltbesten Nationen im Rollstuhlrugby im August kommenden Jahres in Dänemark den WM-Titel ausspielen, wird die DRS-Auswahl auf jeden Fall mit dabei sein. Zu verdanken war dies einer starken Leistung in den fünf Gruppenspielen, von denen die Deutschen vier (gegen Finnland, Tschechien, Belgien und Österreich) bei nur einer Niederlage (gegen Großbritannien) gewinnen konnten und damit als Gruppenzweiter hinter den Briten ins Halbfinale gegen Dänemark einzogen.
Unerwartete Unterstützung gegen die Dänen bekam das DRS-Team, in dem Schuwje in jedem Spiel in der vierköpfigen Startaufstellung war, durch die Hockeynationalmannschaft der Frauen, die in Antwerpen ebenfalls um EM-Meriten kämpfte. „Die wohnten im gleichen Hotel und sind einfach spontan zum Anfeuern vorbeigekommen“, freute sich Schuwje – geholfen hat es freilich nichts, die Deutschen leisteten sich gegen den Weltranglistensechsten zu viele Fehler und mussten ihre Titelträume nach der 39:45-Niederlage – der ersten eines DRS-Teams gegen Dänemark überhaupt – begraben. „Da haben wir uns einfach zu dumm angestellt“, analysiert Schuwje das Halbfinal-Aus, dem eine kaum weniger bittere 43:56-Pleite im Spiel um Platz drei gegen Großbritannien folgte.
„Trotzdem bin ich mit unserer Leistung zufrieden“, so Schuwje, der in den kommenden zwei Wochen erst einmal ausgiebig relaxen will. „Mir tut alles weh, die letzten zwei Monate waren echt hart“, beschreibt er die kräftezehrende EM-Vorbereitung und das anstrengende Turnier, was ihn beides jedoch nicht daran hindert, große Pläne zu verfolgen: Am 31. August ist für das von Schuwje neu zusammengestellte Rollstuhlrugby-Team in Tübingen Trainingsauftakt. Bis dahin wird sich der 29-Jährige auch bei den von ihm gecoachten Kreisligakickern des TSV Oberlenningen blicken lassen. Deren 1:1 zum Punktspielauftakt in der Kreisliga B am Sonntag gegen Ohmden hat Schuwje nach EM-Rückreisestress zwar nicht live verfolgen können, spart aber nicht mit Lob. „Für das erste Spiel ist das okay“, sagt er, in dessen Abwesenheit Co-Trainer Bojan Sarcevic die Übungseinheiten leitete. „Wir haben regelmäßig telefoniert“, erklärt Schuwje.
Im Rugby-Nationaldress wird man den Oberlenninger erst ab Januar wieder sehen. Einem Einladungsturnier in Florida folgen monatliche Trainingslehrgänge in Vorbereitung auf die WM im August in Dänemark. Dann wird‘s für die DRS-Auswahl auch um das heiß begehrte Ticket zu den Paralympics 2016 in Rio gehen – der große Traum von Thomas Schuwje & Co.