Lokalsport
Fußball-EM: Wie eine Kirchheimerin das Achtelfinale in England erlebt

Fußball-EM Die gebürtige Kirchheimerin Nina Gerstenberger schildert ihre Eindrücke vor dem heutigen Achelfinalduell im Londoner Wembley-Stadion. Von Peter Eidemüller

Wahlheimat gegen Mutterland – wenn am Dienstag um 18 Uhr im Londnoner Wembley-Stadion das EM-Achtelfinale zwischen England und Deutschland angepfiffen wird, steht die Welt von Nina Gerstenberger Kopf. „Ich finde es immer sehr nervenaufreibend, wenn Deutschland gegen England spielen muss“, gesteht die gebürtige Kirchheimerin. Seit 17 Jahren lebt sie in Großbritannien, jahrelang im Südwesten von London, aktuell in Stalybridge vor den Toren von Manchester.

Die gelernte Filmemacherin und Drehbuchautorin ist sportbegeistert, hat unter anderem Dokumentationen über den Amateurfußball in England und die Olympischen Spiele 2008 in London gedreht und ist aktuell für die BBC tätig – als Fachfrau sieht sie dem Kräftemessen in Wembley mit gemischten Gefühlen entgegen: „Wenn Deutschland so spielt wie streckenweise gegen Portugal, können wir gewinnen“, glaubt die 39-ährige, „die Engländer waren bis jetzt noch eher schwach in der Offensive. Allerdings haben sie Heimvorteil.“
Dieser treibt im Bekanntenkreis der Kirchheimerin kuriose Blüten: So sie eine deutsche Freundin, deren Kinder in England geboren wurden, nicht gerade begeistert, dass der Nachwuchs die „Three Lions“ anfeuert. „Die musste sich erst mal eine Deutschlandfahne bestellen, um dagegen zu halten“, lacht Gerstenberger. Andere Prioritäten hatte da einer ihrer Freunde aus Schottland, der bei der Deutschen nach einer Lederhose für den heutigen Pub-Besuch nachfragte „Leider konnte ich ihm damit nicht helfen“, sagt Gerstenberger, „so muss er eben wie immer bei wichtigen Anlässen seinen Kilt anziehen.“

Die Stimmung bei anderen ausgewanderten Deutschen sei laut Gerstenberger eher verhalten: „In einer Gruppe Exil-Deutscher meint nur eine Optimistin, dass wir England klar schlagen werden. Meine englischen Kollegen denken hingegen, dass die Chancen dies mal recht ausgeglichen sind“, sagt sie.

Obwohl Nina Gerstenberger selbst die Chancen bei 50:50 sieht, kann sie sich einen Verweis auf den in England lebenden deutschen Comedian Henning Wehn nicht verkneifen: „Für England ist es immer ein wichtiges Spiel. Für uns Deutsche nicht so, da sind immer die Spiele wichtiger, die wir nach dem England-Spiel noch spielen müssen.“ Sage noch einer, der schwarze Humor sei den Engländern vorbehalten.

Nachgefragt beim gebürtingen Briten Peter Clewes aus Jesingen

Peter Clewes ist Brite mit deutscher Staatsbürgerschaft aus Jesingen. Seit 1990 lebt der ehemalige Abteilungs- und Jugendleiter der TSVJ-Fußballer in Deutschland. Unser Mitarbeiter Helge Waider hat vor dem EM-Achtelfinale mit dem 59-Jährigen gesprochen.

Peter, wie zufrieden sind Sie bislang mit dem Abschneiden der Three Lions?
Enttäuschend. Das sind 22 sehr gute Spieler, aber es ist keine Mannschaft.

Und wie sieht es mit der seitherigen Bilanz der deutschen Mannschaft aus?
Die Leistung ist sehr schwankend. Gegen Frankreich war es nicht schlecht, gegen Portugal war es eine Top-Leis­tung und gegen Ungarn eine große Enttäuschung.

Ist England gegen Deutschland Ihr Wunsch-Achtelfinale?
Nein, im Gegenteil. Das Spiel kommt viel zu früh. Ich hätte mir die Partie fürs Finale gewünscht.

Wo und mit wem werden Sie das Spiel verfolgen?
Ich werde bei und mit Freunden die Partie anschauen und mich als einziger Brite unter lauter Deutschen wie der Hecht im Karpfenteich fühlen.

Als Brite mit deutschem Pass: Für wen schlägt das Fußballherz am Dienstag?
Natürlich für beide – aber im Zweifelsfall und wenn es hart auf hart kommt schon für die Three Lions.

Und wie geht’s aus, wer gewinnt?
Es wird ein knappes Ergebnis werden. Aber wenn es ins Elfmeterschießen geht, ist eh klar, wer gewinnt.