Lokalsport

Hosen runter, Jungs!

Kleiderordnung Der Handballbezirk Esslingen-Teck will lange Unterziehhosen auf dem Spielfeld künftig nicht mehr dulden. Die Frage, was erlaubt ist, ist oft Ermessenssache. Von Bernd Köble

, Handball , TSV Owen (gelb) - TSV Weilheim (rot), Nr 34 Weilheim Luca Pfeffer
, Handball , TSV Owen (gelb) - TSV Weilheim (rot), Nr 34 Weilheim Luca Pfeffer

Die Diskussion erinnert ein wenig an die Sechziger, als das Bürgertum den Minirock über nacktem Frauenbein mit Moralinsäure verätzte. Auch da ging es um Zentimeter und die Frage: Wie viel Haut darf sein? Der Kampf um Freizügigkeit war auch ein Feldzug gegen Prüderie und die selbst verfassten Regeln des Establishments. Im 21. Jahrhundert geht es ausgerechnet im Sport, wo schon dem Körperklima zuliebe freiwillig auf überflüssige Textilien verzichtet wird, plötzlich darum, wie viel Haut verhüllt sein darf.

Der Handballbezirk Esslingen-Teck will Verstöße gegen die Kleiderordnung auf dem Spielfeld konsequenter ahnden. Es geht ums lange Beinkleid, genauer gesagt um Unterziehhosen oder schrittlange Stulpen wie sie in den Hallen immer häufiger zu sehen sind. Steffen Klett, Trainer beim Bezirksligisten TSV Owen trägt sie. Sein Teamkollege Moritz Bittner ebenfalls. Andere wiederum schwören auf knielange Unterschlüpfer, ähnlich wie Radlerhosen. Textile Extensions sind schwer angesagt. An Beinen und Armen gleichermaßen. Selbst in der Bundesliga. Flensburgs französischer Linksaußen Kentin Mahé ist bekannt für Tore mittels eines vollverschleierten Wurfarms. Darunter trägt er Knieschützer, die übergehen in lange Kompressionsstrümpfe. Viel Platz für Haut bleibt da nicht. Kiels Toft Hansen schützt beide Knie mit Bandagen, die bis über die Oberschenkel reichen. Ob Ausdruck von Individualismus oder wärmender Schutz, darüber gehen die Meinungen auseinander. Fest steht: Zumindest was die langen Unterhosen betrifft, kennen DHB und Weltverband IHF eine mehr oder weniger klare Regel. Lange Unterziehhosen sind verboten, langarmige Unterziehhemden dagegen erlaubt, sofern sie mit der Farbe des Trikots korrespondieren. Gelenkschützer und Bandagen gelten ebenfalls als regelkonform, nur aus weichem, dünnem Material müssen sie sein. Viel Interpretationsspielraum also für Verhüllungskünstler.

Bisher wurden Verstöße in den unteren Ligen häufig ignoriert. Das soll sich jetzt ändern. Der hiesige Handballbezirk sieht offenbar Handlungsbedarf und hält seine Schiedsrichter an, bei zu wenig Haut auf dem Spielfeld rigoros einzuschreiten und das Spiel so lange zu unterbrechen, bis die Sünder abgelegt haben. Gleichzeitig sollen Mannschaftsverantwortlichen Strafen drohen. Die Direktive richtet sich per Rundbrief an alle Schiedsrichter im Bezirk.

Beim Handballverband Württemberg in Stuttgart dagegen gibt man sich eher unverkrampft. „Die Regel ist klar“, betont die für Spieltechnik und Schiedsrichterwesen zuständige Bereichsleiterin Andrea Schiele. Damit endet ihr Verständnis für die Brisanz des Themas allerdings auch schon. „Wenn Schiedsrichter im Protokoll nichts eintragen, gibt es offenbar auch kein Problem.“ Ihr sei nicht bekannt, meint sie, dass dieses Thema in Verbandssitzungen jemals auf den Tisch gekommen wäre.

Ein „gewisser Schlendrian“

Warum der Bezirk das Fass gerade jetzt aufmacht, nachdem ihn existenziellere Sorgen drücken? Etwa weil Spiele auszufallen drohen, da es zu wenig Unparteiische gibt? Schiedsrichterwart Stefan Denzinger will von seinen Männern an der Pfeife vernommen haben, dass sich Kleidungsverstöße häuften. „Da gab es in den letzten Jahren einen gewissen Schlendrian“, meint der 33-Jährige und ergänzt: „Wir machen die Regeln nicht, wir müssen sie nur umsetzen.“ Die Basis stehe pflichtschuldig vorne dran. „Und das sind nun mal wir.“

Da gehen es die Basketballer, die als Urheber des Kostümtrends gelten, vergleichsweise entspannt an. Der Braunschweiger Dennis Schröder, Topscorer der Atlanta Hawks in der NBA und Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft, ergänzt das Trikot mit dem Bundesadler regelmäßig um zwei blütenweiße Armschläuche. Devin Uskoski, Kirchheims Held im Jahr der Vizemeisterschaft der Knights in der Pro A, war der erste Kirchheimer, der die sogenannten Shooting Sleeves vor sieben Jahren als sein Markenzeichen einführte. Der Amerikaner war der Mann mit dem glücklichen Händchen am pechschwarzen Arm.

Die Dinger, die in der US-Profiliga fast jeder trägt, der etwas auf sich hält, sind längst so populär, dass sie im offiziellen NBA-Store als Verkaufsschlager gelten. Auch mit untenrum lang haben die Basketballer kein Problem. Ob Knights-Spielmacher Charles Barton, Brian Wenzel oder Toney McCray, sie alle zeigen Leistung - aber halt wenig Bein.

Ganz oder halblang, an Armen oder Beinen. Knights-Spielmacher Charles Barton (links) trägt unten gern lang, sein Gegenspieler Ca
Ganz oder halblang, an Armen oder Beinen. Knights-Spielmacher Charles Barton (links) trägt unten gern lang, sein Gegenspieler Carson Puriefoy mag‘s halbseitig luftig. Der frühere Topscorer der Knights, Devin Uskoski, machte die NBA-Sleeves 2012 zu seinem Markenzeichen. In der Handball-Bezirksliga soll das lange Beinkleid wie der Owener Moritz Bittner es trägt (rechts) ab sofort streng geahndet werden. Kurze Radlerhosen wie bei Weilheims Schützen Luca Pfeffer sind dagegen erlaubt.Fotos: Spindler/Calagan/Brändli