Lokalsport

„Ich sehe unsere Demokratie in Gefahr“

Nachgefragt Die Präsidentin des Sportkreises Esslingen, Margot Kemmler, spricht über die Gefahr von Rechts. Von Peter Eidemüller

Margot Kemmler. Foto: pr

Esslingen. Margot Kemmler ist seit 2022 Präsidentin des Sportkreises Esslingen. Im Interview erklärt die 67-Jährige, die für die CDU im Kreistag sitzt, warum ihr das Erstarken der AfD Sorge bereitet und welche Gefahren ihrer Meinung nach von einem Rechtsruck für die Gesellschaft und den organisierten Sport ausgehen.

Die AfD schwadroniert mit Rechtsradikalen unverblümt über die Vertreibung von Menschen mit ausländischen Wurzeln, auch mit deutschem Pass – abgesehen von der ethisch-moralischen und juristischen Komponente: Welche Folgen hätte so etwas für den organisierten Sport in Deutschland?
„In Deutschland haben wir mittlerweile einen sehr hohen Anteil an Mitgliedern mit Migrations- und Fluchthintergrund. Würde die AfD ihre abstruse und menschenverachtende Hirngespinste durch demokratische Wahlen umsetzen können, so würden sowohl dem Spitzen- als auch dem Breitensport eine große Anzahl an Talenten und Mitgliedern verloren gehen. Das wäre für viele Vereine und Sportarten das Aus.“

Auch im Kreis Esslingen sind Sportvereine dank des multikulturellen Engagements vieler verschiedener Funktionäre und Mitglieder organisiert. Wie groß ist die Bedeutung einer pluralistisch aufgebauten Vereinslandschaft?
„Die Vielfältigkeit in der Sportorganisation ist inzwischen ein Grundpfeiler, der sich durch alle Hierarchien des organisierten Sports zieht. Dies ermög­licht erst vielfältige Möglichkeiten zur Teilhabe an sportlichen Aktivitäten und Engagement. Erst dadurch entsteht die Chance für eine Weiterentwicklung und Zukunftssicherung des Sports und der Gesellschaft per se.“

Die integrative Kraft des Sports ist unbestritten, der Sportkreis Esslingen hat sich in seiner Satzung die Integration von ausländischen Menschen zur Aufgabe gesetzt. Wie sieht das konkret aus?
„Wir haben bei uns im Sportkreis eine Referentin für Integration und sind Stützpunktverein für Integration. Das heißt, wir beraten Vereine und Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund. Zum Thema Sport im Verein, zum Beispiel „Wie und wo kann ich als Verein Zuschüsse für integrative Projekte und Maßnahmen beantragen“. Wir beantragen aber auch für Vereine, die selbst diesen Antrag nicht stellen können, Geldmittel. Geflüchteten Frauen sowie Migrantinnen und Migranten stehen wir mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Suche nach einem passenden Verein oder um Fortbildungsprogramme geht. Speziell für Frauen unterstützen wir auch Quartiersarbeit, um den Frauen und jungen Mädchen das Vereinsleben in Deutschland näherzubringen. Wir bieten dabei auch mit Unterstützung von Sportvereinen Angebote in den Quartieren an, mit dem langfristigen Ziel, Mitglieder und Ehrenamtliche zu gewinnen.“

Sie sind nicht nur Vorsitzende des Sportkreises, sondern auch die Ansprechpartnerin für Flüchtlingsfragen. Bereitet Ihnen die AfD und ihr Erstarken Sorge?
„Um es auf den Nenner zu bringen: Ja, mich treiben große Sorgen um. Ich sehe dieses Problem ja nicht nur als Präsidentin des Sportkreises, sondern auch als Kommunalpolitikerin. Sollte der Aufwärtstrend der AfD weitergehen, sehe ich unsere Demokratie, wie wir sie die letzten Jahrzehnte gelebt haben, in großer Gefahr. Dieser Rechtsruck findet ja nicht nur in Deutschland statt, sondern auch in steigender Anzahl in Teilen von Europa. Vom ebenfalls größer werdenden Zuspruch für Donald Trump in Amerika ganz zu schweigen.“

Das Erstarken der politischen Rechten wird landläufig mit der Enttäuschung der Wähler in etablierte Parteien erklärt. Gibt es aus Ihrer Sicht als Sportkreisvorsitzende konkrete Wünsche oder Forderungen an die Politik?
„Ja, die gibt es in der Tat. Der schon lange angekündigte Bürokratieabbau muss schnellstens umgesetzt werden. Sowohl für Sportvereine als auch für uns als Staatsbürger. Verdrossenheit und Unmut bilden sich immer dann, wenn sich die Politik zu weit vom Menschen entfernt. In Deutschland wird das Ehrenamt in allen seinen Facetten verbal sehr hoch gehalten. Diese Wertschätzung darf sich aber nicht nur mit Worten begnügen. Um Integration gut zu machen, benötigt es vonseiten des Sports auch genügend den heutigen Anforderungen entsprechende Sportstätten. Barrierefrei für alle Menschen mit deren Diversität.“

Drittgrößter Sportkreis in Württemberg

Der Sportkreis Esslingen ist einer von 24 Sportkreisen in Württemberg. Mit 151 097 Mitgliedern in 380 Vereinen (Stand 2023) ist Esslingen nach Stuttgart (265 805 Mitglieder/290 Vereine) und Ludwigsburg (193 543/512) drittgrößter Sportkreis in Württemberg.

Größter Verein im Sportkreis Esslingen ist mit Stand vom Januar 2023 der VfL Kirchheim mit 4609 Mitgliedern. pet