Lokalsport

Ist Schach spielen cool oder uncool?

Kinder und Senioren sind beim SC Kirchheim gut vertreten, Jugendliche ab 14 nicht – Basketball und Co. als Konkurrenz

Schach, so weiß man, vereint Jung und Alt. Beim SC Kirchheim sind die zwei Alters-Extreme besonders stark ausgeprägt. Das Problem ist die Altersgruppe der Jugendlichen über 14 Jahre. Oft genug wenden die sich anderen Sportarten zu.

Schach Marco Hrsak , Katharina Bader , Reinhold Richrter v. l.
Schach Marco Hrsak , Katharina Bader , Reinhold Richrter v. l.

Kirchheim. Ist Schach cool oder uncool? Eine Frage, die sich der elfjährige Michael aus Kirchheim schon öfters stellte. Seine Antwort bleibt offen: Schach ist mal so, mal so. Der Sohn der früheren Deizisauer Bundesligaspielerin Katharina Bader (32) unterliegt im Sportbereich alterstypischen Interessensschwankungen. „Michael überlegt noch, ob er zum Schach beim SC Kirchheim oder zum Karate beim VfL gehen soll“, sagt seine Mutter. Fußball ist für den Jungen aus der fünften Klasse des Schlossgymnasiums eine dritte Freizeitoption – Ausgang offen. „Zum Ende der Schulferien könnte er schon wieder ganz andere Pläne haben“, sagt sie und schmunzelt.

Reinhold Richter (85) war in jungen Jahren anders: nicht offen für alles, sondern streng fixiert auf eine Sportart. Eben Schach. „Als ich acht Jahre alt war, habe ich gegen meinen Vater daheim in Esslingen jeden Abend eine Partie spielen müssen“, erzählt der frühere Mathematiklehrer, „doch ich habe das nie als Zwang empfunden, sondern als echte Herausforderung.“ Danach artete das Königliche Spiel förmlich zur Sucht aus bei ihm: Dem Schachsport blieb er trotz eines erfolgreichen Ausflugs zum Handball („als Torwart beim TV Atenstadt in der Oberliga“) ein Leben lang treu. 1965 gründete er den SC Kirchheim, wurde dessen Vorsitzender und Spieler – Letzteres ist er bis heute geblieben. In der kommenden Saison 2014/15 spielt er erneut in der zweiten Mannschaft, diesmal an Brett vier.

Ältere Clubmitglieder wie Reinhold Richter bilden im Schachclub nicht die Ausnahme. Allein zur Ü80-Fraktion zählen vier weitere Veteranen: Erich Stütz (84), Albert Tick (84), Thilo Dinkel (82) und Manfred Lang (81). Fast ein Drittel aller 38 SCK-Mitglieder ist über 60 – das sind 28 Prozent und ist deshalb bemerkenswert, weil Schachspieler dieser Altersgruppe laut der jährlichen WLSB-Bestandserhebung in einem Verein durchschnittlich nur einen Anteil von 18 Prozent haben. Warum es in Kirchheim mehr Schach-Oldies gibt als sonstwo, ist für Thorsten Fischer ein Rätsel, das er auch nach längerem Nachdenken nicht löst. „Zuguterletzt sind wir aber froh, viele ältere Sportler bei uns zu haben“, sagt der SCK-Organisator und Jugendleiter, „sie sind eine echte Bereicherung für den Verein.“

Ideengeber für ambitionierte Youngsters wie Marco Hrsak (11) sind die betagten SCK-Denksportler auch. Marco hat das Schachspiel erstmals vor zwei Jahren über das Fernsehen entdeckt („dort lief eine interessante Dokumentation“), danach seinen Vater geschlagen und erkannt, dass es das für ihn denkbar beste Hobby ist. In der kommenden Saison will der Jung-Gymnasiast möglichst einen Stammplatz in einer der drei Mannschaften, die der Verein erstmals nach längerer Zeit für den Spielbetrieb wieder angemeldet hat. Zwei bis drei Mal pro Woche probiert er am Schachbrett stundenlang die besten Strategien aus – nicht nur im regulären SCK-Freitagtraining, sondern auch im Kinderzimmer mit seinen Kumpels. „Schach gefällt mir deshalb so, weil man es im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten überall spielen kann“, sagt Marco, „auch im Urlaub wie neulich in Kroatien.“ So hat er schachtechnisch alle Entfaltungsmöglichkeiten – bis auf eine: Online-Training hat ihm seine Mutter streng untersagt. Sie will nämlich keinen PC-Stubenhocker daheim.

Lieber soll der Junge unter (gleichaltrigen) Leuten trainieren – was er im SCK meistens auch kann: Marco Hrsaks Alterskumpels sind im SC Kirchheim ordentlich vertreten. Dagegen ist die Mitgliedergruppe der über 14-Jährigen eher dünn besetzt. Warum das so ist, weiß Thorsten Fischer genau: „Viele Kinder und Jugendliche machen mit 14 einen Break. Sie wenden sich dann vom Schach ab und Sportarten zu, die vermeintlich attraktiver sind für sie. Basketball, Fußball oder Mountainbike zum Beispiel.“ Der Denk(er)phase folgt die Aktionszeit beim Nachwuchs – ein Trend, den bislang niemand stoppen konnte. Oder auch nicht wollte: Noch ist die Gesamtmitgliederzahl nicht existenzbedrohend für den Kirchheimer Verein.

Gleichwohl fordert Ex-Lehrer Reinhold Richter („Schach ist die beste Lebenshilfe, doch für die Jungen heutzutage nicht mehr attraktiv genug“), das Spiel zur Mitglieder(rück-)gewinnung wieder verstärkt an die Schulen zu bringen. Die Schach-AG, die zuletzt das Schlossgymnasium anbot, ist ihm als Einstiegsanreiz für Schüler zu wenig. Eine andere Idee, wie man Kindern den Sport zum Austesten anbieten könne, hat Katharina Bader. „Man sollte die Kids schon im Kindergarten spielerisch an das Schach heranführen. Vielleicht findet der Eine oder Andere dann Geschmack an dem Sport und wird später Vereinsmitglied“, sagt die Sonderschullehrerin.

Derzeit ist die ehemalige Bundesliga-, württembergische Auswahlspielerin und U18-Blitzmeisterin in der gemischten Konkurrenz („damals habe ich auch Männer besiegt“) selbst kein SCK-Mitglied. Wird sie‘s und sitzt bei der ersten Landesliga-Mannschaft womöglich als Verstärkung bald am Brett? Sohn Michael entscheidet: Sagt der nach seiner derzeitigen Sport-Sondierungsphase demnächst Ja zum Schach und Vereinssport im SCK, „würde ich mir einen Eintritt in den Club ebenfalls überlegen“.