Lokalsport
Kalte Duschen erhitzen die Gemüter

Energiekrise Die Stadt Kirchheim hat in ihren Sportstätten das warme Wasser abgedreht. Das sorgt für großes Unverständnis bei den betroffenen Vereinen. Von Max Pradler

Werden Warmduscher umgangssprachlich ohnehin schon oft genug aufs Korn genommen, müssen sie in diesen Tagen noch so einiges mehr erdulden – die Energiekrise und der anberaumte Sparkurs machen auch in Kirchheim vor niemandem halt. Bereits vor einigen Wochen hat die Stadt deshalb für die örtlichen Sportstätten drastische Maßnahmen ergriffen und das warme Wasser in den Duschen abgedreht.

Einzige Ausnahme: die Sporthalle Stadtmitte. Denn im Vergleich zu den anderen Kirchheimer Sportvereinen können die Zweitliga-Basketballer der Knights an ihrer Heimspielstätte nach wie vor warm duschen. „Unser Spieler sind hauptberufliche und sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter und die Sporthalle Stadtmitte sozusagen deren Arbeitsplatz. Es wäre vermutlich arbeitsrechtlich sehr kompliziert, zu klären, ob dort das warme Wasser überhaupt abgestellt werden dürfte“, sagt Knights-Geschäftsführer Chris Schmidt, der betont, dass der letzte Kontakt zur Stadt diesbezüglich mehrere Wochen zurückliegt. „Wir dachten eigentlich, dass sich dieses Thema in der Zwischenzeit wieder entspannt hätte“, so der Sportchef der Knights.

 

Für eine Stadt wie Kirchheim ist das ein Armutszeugnis.
Dietmar Kohler Der Fußballabteilungsleiter des TSV Altdorf wunderte sich nach dem Gastspiel beim AC Catania über das abgestellte Warmwasser.

Was aus Sicht der Basketballer eine durchaus schlüssige und nachvollziehbare Betrachtungsweise ist, wirft im Umkehrschluss die Frage auf, ob für die Stadt das Prinzip der Gleichbehandlung eine eher untergeordnete Rolle spielt. Oberbürgermeister Pascal Bader verteidigt den Energiesparplan und wehrt sich gegen den Vorwurf der ungerechten Behandlung: „Ich halte es angesichts der Energiekrise für wichtig, dass wir solidarisch vorgehen. Nur wenn alle ihren Beitrag leisten, kann eine Gasmangellage verhindert werden.“ Dass es in der Sporthalle Stadtmitte weiterhin warmes Wasser gibt, habe unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Lage außerdem noch „technische Gründe, da die Warmwasserbereitung noch nicht abgestellt werden konnte“. Unter dem Strich würden die gesamten Maßnahmen zu einer Einsparung von ungefähr zehn bis 15 Prozent des Gesamtverbrauchs der betroffenen Gebäude führen. „Bei einem Normalverbrauch von rund 2,8 Millionen Kilowattstunden beträgt das Einsparpotenzial also ungefähr 280 000 Kilowattstunden“, schildert Bader.

Wie lang die Betroffenen an den Außensportanlagen den aktuellen Zustand noch durchstehen müssen, dazu gibt das Kirchheimer Stadtoberhaupt keine Auskunft. „Ich sehe den Sport ebenfalls in der Verantwortung, auch wenn es einen erheblichen Komfortverlust darstellt“, sagt Bader. In den Räumen der Stadtverwaltung würden die Büros beispielsweise nur noch auf 19 Grad beheizt.

Ärger an der Jesinger Allee

Ein schwacher Trost für die ortsansässigen Fußballklubs, bei denen der Tenor eindeutig ist: Vor allem bei den Außensportanlagen sollte es Aufgabe der Stadt sein, zu prüfen, welche Maßnahmen vertretbar sind. Denn unter eiskalte Duschen müssen sich nun schon seit geraumer Zeit die Fußballer an der Jesinger Allee quälen – für VfL-Abteilungsleiter Marc Butenuth, der bereits Kontakt zur Stadt aufgenommen hat, ein Unding: „Geht es hier ums Prinzip oder ums Geld? Von Energiesparen kann ja weniger die Rede sein, wenn die Sportler nach dem Training jetzt nach Hause fahren, um dort zu duschen. Diese Mehrkos­ten fallen dann schließlich auf die jeweiligen Familien zurück – und das können sich gerade in den aktuellen Zeiten nicht alle leisten.“ Laut Butenuth hätten Eltern vereinzelt schon angekündigt, ihre Kinder nicht mehr zum Vereinssport zu schicken, wenn sie dort nicht duschen könnten. „Das wäre quasi ein gesellschaftlicher Ausschluss für finanziell schwächer gestellten Familien. Das macht mir große Sorge“, kritisiert Butenuth.

In den Wintermonaten könnte aufgrund der Duschproblematik sogar eine sportliche Wettbewerbsverzerrung entstehen: „Wenn unsere Spieler nach dem Training und den Spielen stark verschwitzt erst einmal in die Kälte müssen, um nach Hause zu kommen – egal ob per Auto oder Fahrrad –, resultiert daraus mit Sicherheit eine höhere Anzahl an Erkältungen“, fürchtet Butenuth.

Verärgert über den aktuellen Zustand ist auch Cosimo Attorre, Spielertrainer des AC Catania: „Wir haben einige Väter im Team, die am nächsten Tag arbeiten müssen, um ihre Familien zu versorgen. Deshalb ist es für mich völlig unverständlich, wieso die Stadt so leichtfertig mit der Gesundheit der Spieler umgeht.“ Den Gedanken, zu sparen zu wollen, findet der 38-Jährige zwar sinnvoll, „dann muss es aber an den richtigen Ecken geschehen. Im Sommer war das kalte Wasser durch die Außentemperaturen ja noch zumutbar, aber jetzt ist es das definitiv nicht mehr. Die Spieler trainieren bei Regen und bald auch bei Schnee, sollen dann noch in die kalte Umkleidekabine und kalt duschen. Da hört der Spaß auf.“

Das findet auch Dietmar Kohler, Abteilungsleiter des TSV Altdorf, dessen Kicker vergangenen Sonntag bei Catania antraten und sich nicht nur über das kalte Wasser wunderten. „In den Umkleiden liefen bei geöffneten Fenstern die Heizkörper auf höchster Stufe“, so Kohler, der für Energiesparmaßnahmen in dieser Form kein Verständnis hat. „Für eine Stadt wie Kirchheim ist es ein Armutszeugnis, das Warmwasser in Sportstätten abzustellen“, wettert er.

Betroffen ist auch der TSV Jesingen, der allerdings „Glück im Unglück“ hat, wie Fußballvorstand Sven Andler zuletzt unerwartet feststellen durfte: „Bei uns gibt es technisch gesehen keine Trennung zwischen der Heizung und dem Warmwasser, sodass wir, seitdem die Heizung in der Sporthalle Lehenäcker an ist, auch wieder warmes Wasser zum Duschen haben.“

Die anderen städtischen Sportler allerdings derart einzuschränken, sei gerade in dieser Jahreszeit absolut unverhältnismäßig. Am meis­ten Groll hegt der Jesinger Fußballchef gegen die Stadt aufgrund der mangelnden Kommunikation. „Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt und wissen rein gar nichts. Es gibt keinerlei Zahlen, was durch diese Maßnahmen eingespart wird. Und wir müssen es ja schließlich auch unseren Vereinsmitgliedern erklären“, kritisiert Andler.

Bonlanden als Beispiel?

Wie sich ein Kompromiss finden lassen würde, zeigt Fußball-Landesligist SV Bonlanden: Der frühere Oberliga-Konkurrent des VfL Kirchheim hat in den Duschen einen sogenannten „Mischer“ eingebaut. Diese Selbstschluss-Brausebatterie in Größe einer handelsüblichen Steckdose begrenzt die Duschen an der Entnahmestelle auf 30 Grad. In der Leitung hingegen bleibt die ursprüngliche Einrichtung mit der Temperatur von 60 Grad erhalten, sodass keine Legionellen entstehen können – eine Sparmaßnahme, die auf den Fildern wegen der erträglichen Zumutbarkeit für alle Parteien in Ordnung geht.

Neuhausener Kicker fürchten um ihren Ruf

In Neuhausen fährt man beim Thema Duschen einen ähnlichen Kurs wie in Kirchheim. Bereits am 15. August hatte Bürgermeister Ingo Hacker in einem Schreiben an die örtlichen Sportvereine angekündigt, das Warmwasser in den Sportstätten der Fildergemeinde ab Mitte September für unbestimmte Zeit ab­zuschalten.
Betroffen sind davon auch Fußball-Bezirksligist FV Neuhausen sowie die Drittliga-Handballer des TSV. Eine nachvollziehbare Erklärung fehle allerdings. „Von Sparmaßnahmen ist eigentlich nirgends die Rede. Es heißt bloß, dass wir unseren gesellschaftlichen Beitrag leisten sollen. Da geht’s rein ums Prinzip, zumal wir bei uns am Stadion schon seit Jahren auf erneuerbare Energien umgestellt haben“, ärgert sich FVN-Spielleiter Timo Samel.
Gespräche, um sich mit den lokalpolitischen Verantwortungsträgern auszutauschen, habe Bürgermeister Hacker laut Samel inhaltlich sofort im Keim erstickt. „Jetzt hängen wir halt in der Luft. Keine Ahnung, wann wir wieder warmes Wasser in den Kabinen haben“, resümiert der FVN-Funktionär.
Fest steht aber: Sollten sich die Bedingungen bis zum 10. Dezember nicht ändern, steht dem FVN als Gastgeber ein äußerst problematisches U 14-Hallenmasters bevor. Das renommierte Jugendturnier, an dem unter anderem Klubs wie der FC Bayern, FSV Mainz oder Red Bull Salzburg teilnehmen, hat ein breit gestreutes Teilnehmerfeld. „Und denen sollen wir sagen, dass sie ungeduscht die Heimreise antreten sollen? Das wird peinlich“, fürchtet Samel um den Ruf des Vereins. max