Lokalsport

„Kein Grund zum Schämen“

Bürgermeister Klaus Däschler

Neidlingens Bürgermeister Klaus Däschler (53), ein ehemaliger Kriminalhauptkommissar, arbeitete zwischen 2009 und 2014 bei der NS-Aufklärungsstelle in Ludwigsburg und machte Jagd auf ehemalige Auschwitz-Wachleute.

Wo ist der Neidlinger Rennfahrer Hermann Gunzenhauser zu Zeiten Hitler-Deutschlands politisch einzuordnen?

Däschler: Laut NS-Aufklärungsstelle lief nach dem Zweiten Weltkrieg kein strafrechtliches Verfahren gegen ihn. Deshalb gilt auch bei ihm die Unschuldsvermutung.

Gunzenhauser war NSDAP-Mitglied zwischen 1933 und 1945 und musste sich im April 1946 deshalb einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. War er ein Nazi?

Däschler: Schwierig zu sagen. Dieser Partei gehörten damals viele Deutsche an. Mitglied zu sein ist die eine Sache, Verbrechen zu begehen die andere.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete sich Gunzenhauser wie Millionen andere Deutsche als „Mitläufer“. Ist seine Aussage glaubhaft?

Däschler: Nach Aktenlage war er tatsächlich ein Mitläufer. Er ist in die Partei eingetreten, weil er sonst Nachteile als Rennfahrer gehabt hätte. Später, als er das ganze Unrecht erkannte, hat er gegen die Partei sogar gewettert.

Gunzenhauser war einerseits eine internationale Sportgröße, andererseits aber eine Person, deren politische Gesinnung im NS-Regime naturgemäß nicht mehr geklärt werden kann. Wie geht die Gemeinde Neidlingen mit solch einem Fall um?

Däschler: Seine herausragenden sportlichen Leistungen auf europäischer Ebene stehen für mich eindeutig im Vordergrund, weil politisch keine belastenden Indizien gegen ihn sprechen.

Am 30. April 1948, zum Ende des Entnazifizierungsverfahrens, stellte die Spruchkammer Kirchheim/Teck bei Gunzenhauser eine „unwesentliche“ Unterstützung des Nationalsozialismus fest. Ihre Bewertung dazu?

Däschler: Damit gibt es keinerlei Grund, sich für Gunzenhausers Siege zu schämen.