Lokalsport

Kommentar: Mehr Kante

Die Sache klingt paradox: Ausgerechnet eine Branche, der Marktanalysten eine goldene Zukunft versprechen, weil der physische Zerfall in einer unsicher gewordenen Welt das einzig Verlässliche ist und nichts näher liegt als der nächste Hexenschuss – ausgerechnet dort geht es mit harten Bandagen zur Sache. Gemach möchte man sagen, es ist genügend vom Kuchen für alle da. Beispiele gibt es genügend, die vor allem von Sportverbänden gerne ins Feld geführt werden, und die unter Vereinen und Privatanbietern von friedlicher Ko­existenz zeugen.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Nach dem Abschied von der Mucki-Bude sind die Grenzen inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Zwischen hoch qualifizierter Physio­therapie, leistungsorientiertem Athletik-Training und Kuschelsport in der Wohlfühl-Oase passt hinter ein und dieselbe Tür oft kein Blatt Papier. Bloß keinen Trend verpassen, schließlich gilt der Freizeitsportler des 21. Jahrhunderts als Erlebnis-Nomade, der schleunigst weiterzieht, wenn Langeweile droht. Was Privatanbieter wie Vereine zum Überleben brauchen, ist ein klares Profil. Weniger Einheitsbrei, mehr Kante zeigen bedeutet mehr Luft für alle. Ob entgeltliche Physiotherapie Vereinszweck ist, darüber lässt sich ebenso streiten wie über die Frage, ob der abendliche Lauftreff des Studios nicht besser im Verein aufgehoben wäre.

Unbestritten ist: Vereine als Wettbewerber werden auch in Zukunft eine Sonderrolle spielen. Dafür spricht ihr gesellschaftlicher Auftrag, der typisch deutsch sein mag, aus dem Gemeinwesen jedoch bisher nicht wegzudenken ist. Ob als Partner der Ganztagsschule, als integrative Kraft im Jugendbereich oder als Nährboden für den Spitzensport.

BERND KÖBLE