Lokalsport

Kopfstände für den Sport

Kunstrad Vizeweltmeister Moritz Herbst pendelt zwischen Medizinstudium und täglichem Training.

Kraft gepaart mit Technik: Moritz Herbst bei seiner WM-Kür im November in Dornbirn, für die er mit der Silbermedaille belohnt wu
Kraft gepaart mit Technik: Moritz Herbst bei seiner WM-Kür im November in Dornbirn, für die er mit der Silbermedaille belohnt wurde.Foto: Bauer

Wendlingen. Er pendelt zwischen Innsbruck und Wendlingen, zwischen Studium und Sport. Wenn Moritz Herbst nicht Medizinlehrbücher in Österreich wälzt, führt der 24-Jährige komplexe Küren auf dem Fahrrad aus. Herbst ist Kunstradfahrer beim RSV Wendlingen. Bei der Hallenrad-Weltmeisterschaft im österreichischen Dornbirn Ende November gewann er die Silbermedaille im Einer.

Blauer Pullover, dunkle Brille, ein wacher Blick. Kein Mensch würde vermuten, dass dieser Typ einen Handstand auf einem Fahrradlenker sturzfrei übersteht. Dabei gehört das zu seinen einfacheren Übungen. Bei der WM turnte Herbst in fünf Minuten 30 verschiede Elemente auf dem Rad.„Vor dem Turnier war ich erstaunlich ruhig“, erinnert sich Herbst. Der gebürtige Nürtinger hatte schon Tage vor der WM am Wettkampfort trainiert. „Ganz ohne Zuschauer“, sagt Herbst, „nur, um die Atmosphäre der Halle spüren.“ Erst am Morgen vor dem Vorkampf war die Nervosität plötzlich da. Doch Herbst bekam seine Nerven in den Griff, zog ins Finale ein und wurde hinter seinem Landsmann Lukas Kohl Zweiter. Gold und Silber für Deutschland.

Für den Sport nimmt Herbst weite Strecken in Kauf. Er studiert in Innsbruck im neunten Semester Medizin, sein Verein aber ist der RSV Wendlingen. Für ihn bestreitet er Wettkämpfe auf der ganzen Welt. Zwar hat Herbst auch in Innsbruck gute Trainingsmöglichkeiten, doch es zieht in regelmäßig zurück in die Region. „Disziplin ist noch wichtiger als Balance in unserem Sport,“ sagt Moritz Herbst. Ohne Disziplin wäre es kaum möglich, Sport und Studium unter einen Hut zu bringen. Sobald er Wettkampf- und Studienplan vorliegen hat, wird jede Woche exakt geplant. Wann ist Training? Wann muss ich lernen? Wann bin ich in Wendlingen? In Innsbruck? Oder bei der Freundin in Ulm?

20 Stunden Training pro Woche

20 Stunden trainiert Herbst durchschnittlich pro Woche. In einem Sport, der Konzentration, Körperbeherrschung und in höchstem Maße Kraft erfordert. Dabei war ein Erfolg wie im November für ihn vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar. Die vergangenen fünf Jahre waren geprägt von gesundheitlichen Rückschlägen. „Von diesen fünf Jahren war ich mehr als drei Jahre komplett verletzt und ohne einen einzigen Wettkampf,” sagt Herbst, und seine Miene wird ernster. Drei Operationen nach einer Oberschenkelverletzung. Danach eine vierte OP wegen einer Nebenhöhlenentzündung. Anfang 2016 schienen alle körperlichen Probleme überstanden, dann verletzte er sich am Arm. Wahrscheinlich eine Überlastung, die dazu führte, dass er Daumen und Zeigefinger nicht mehr bewegen konnte.

So mancher Sportler hätte wohl ernsthaft über das Karriereende nachgedacht. Herbst haben diese Rückschläge zusätzlich motiviert. „Das wäre für mich kein rundes Ende gewesen“, sagt er. Herbst ist topfit und braucht sich über seine sportliche Zukunft im Moment keine Sorgen zu machen. In ein paar Tagen bricht er wieder nach Innsbruck auf - das Studium wartet.

Dominic Berner