Lokalsport

Leistungsdruck bitte erst ab zehn

Gute Sache: Der Württembergische Fußball-Verband schickt Fachleute in Sportvereine und Schulen, um den dortigen Übungsleitern Tipps und Anregungen über kindgerechtes Fußballtraining zu geben. Zuletzt auch beim TSV Jesingen.

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Kirchheim. Christian Hocke lässt dribbeln, Pylonen umkurven, aufs Tor schießen – so ähnlich wie er es Anfang der 1990er-Jahre als Cheftrainer des Oberligisten VfL Kirchheim machte. Bloß: Seine Schützlinge sind nicht Erwachsene um die 24, wie sein damaliger Mittelfeld-Chef Claus Maier, jetziger VfL-Abteilungsleiter, einer war, sondern sie sind zwei Köpfe kleiner und neun oder zehn Jahre alt – ganz genau sind es E-Juniorenfußballer des TSV Jesingen. 70 ausgefüllte Minuten lang trainiert der 65-jährige Hocke 25 junge Hüpfer, und ausgelassen machen die Youngsters selbst beim balllosen Übungsteil alles mit, was ihr neuer Trainer mit Daimler-Stern und DFB-Logo auf der roten Trainingsjacke so alles verlangt. Hocke und Aktionspartner Christian Grießer (31) genießen den höchsten Respekt der lernwilligen Jesinger Nachwuchskicker. Was kein Wunder ist, denn die beiden Fußball-Fachleute hat der Württembergische Fußball-Verband (WFV) geschickt.

Im Rahmen der WFV-Nachwuchs(trainer)förderung demons­trieren Hocke und Grießer in Sportvereinen und an Schulen, wie kindgerechtes Fußballtraining am effektivsten funktioniert. „Wir zeigen zum Beispiel, wie ein Jugendtrainer den Ablauf einer Trainingsstunde besser strukturieren kann“, sagt Grießer, ein Diplom-Sportwissenschaftler, der bis vor Kurzem noch eine kommerzielle Fußballschule in Köln betrieb. Prominenter Zaungast war öfter Nationalspieler Lukas Podolski, der die Fortschritte seines Sohnes Louis (7) studierte. Inzwischen gab Grießer die Schule auf, kehrte zurück in seine Heimat im Süden („ich stamme aus Leinfelden-Echterdingen“) und arbeitet als einer von 29  württembergischen „DFB-Mobilteamern“, deren WFV-Auftrag es ist, Wissen über effizientes Kindertraining in die sportliche Öffentlichkeit zu tragen.

Chris Hocke nennt sich ebenfalls DFB-Mobilteamer“ – schon seit 2009, als das Projekt begann. Als Mann der ersten Stunde hat er viele Erfahrungswerte und kann einiges erzählen. Zum Beispiel, was oberste Priorität sein sollte, wenn Übungsleiter in wöchentlichen Trainingsstunden Fußball-Unterricht erteilen. „Der Spaß der Kids muss immer an erster Stelle stehen“, betont Hocke, „sie wollen frei, ungezwungen und ohne Ergebniszwang Fußball spielen. Zu großer Leistungsdruck in jungen Jahren führt oft dazu, dass Kinder die Lust am Fußballsport verlieren und dann letztlich für den Verein ganz verloren gehen können“. Hockes Gegenrezept ist dieses: „Nachwuchstrainer sollten erst bei Kindern ab zehn Jahren langsam damit anfangen, Leistungserwartungen aufzubauen“.

Die Erkenntnis ist nicht neu, ist aber – sagt Hocke nach rund 150 Vor-Ort-Einheiten, die er in sieben Jahren absolviert hat – bisher noch nicht in jeden Verantwortlichen-Kopf durchgedrungen. Dieses Wissens-Defizit abbauen zu helfen, ist unter anderem Absicht des Mannes, der inzwischen Rentner ist und sehr viel mehr Zeit hat als noch vor fünf Jahren, als er Krankenpfleger in der Göppinger Klinik am Eichert war. Hocke hatte zwei Schlaganfälle – die viele frische Luft, die der WFV-Job mit sich bringt, tut ihm gut.

Und jetzt steht er da und versucht, die Lehenäcker-Jungs mit neuen Trainingsinhalten mehr als eine Stunde lang bei Laune zu halten. Am Ende gelingt ihm das trotz empfindlicher Kälte ganz gut.

Das Training ist kostenlos

Termine im Sommer 2016 Kindgerechtes Freiluft-Training mit fachkundigen Instruktoren und dem mit allerlei Equipment ausgestatteten DFB-Mobil bietet der Württembergische Fußballverband (WFV) im Fußballbezirk Neckar/Fils erst wieder im Jahr 2016 an: vom 30. Mai bis 10. Juni. Option Sporthalle Bewerbungen von Sportvereinen und Schulen beim WFV sind unter der E-Mail-Adresse dfb-mobil@württfv.de möglich. Buchungen für eine Veranstaltung in der Halle sind in diesem Jahr im Zeitraum zwischen dem 16. November und 18. Dezember möglich. Sämtliche Veranstaltungen bietet der WFV zum Nulltarif an – für die Vereine und Schulen entstehen keinerlei Kosten.tb