Lokalsport

Frenkie Interview

Er war lange Zeit vom Erfolg verwöhnt. Jetzt muss Frenkie Ignjatovic beweisen, dass er auch Wege aus der Krise kennt. Kirchheims Trainer zu den Gründen der sportlichen Talfahrt und warum Kirchheim für ihn nach wie vor erste Wahl ist.
Was bereitet Ihnen momentan mehr Sorge, die dritte Niederlage in Folge oder die Art und Weise  wie sich die Mannschaft präsentiert?
Ignjatovic: Jeder, der am Sonntag in der Halle war, konnte sehen, dass uns derzeit jedes Selbstvertrauen fehlt. Es wäre einfach zu sagen, wir haben ein mannschaftsinternes Prob­lem, es fehlt an der Einstellung. Das ist es aber nicht. Ich habe am Montag Anrufe von mehreren Spielern bekommen, die genauso wie ich eine schlaflose Nacht verbracht haben und ich habe eine zweite Halbzeit gesehen, in der meine Mannschaft gefightet und sich mit aller Macht gegen die Niederlage gestemmt hat. Das ist das Positive, das ich jetzt mitnehmen muss.

Ich bleibe dabei: Mit einer Körpersprache, wie in der ersten Hälfte des Spiels, verlierst du gegen jede Mannschaft in der Liga.
Ignjatovic: Da gebe ich Ihnen recht, und da gibt es auch nichts zu beschönigen. Trotzdem sind auch Spieler nur Menschen. Die Frage, die wir so schnell wie möglich beantworten müssen ist die, weshalb unsere Gegner in den ersten Minuten des Spiels mit dem größeren Selbstvertrauen agieren. Wir haben viel analysiert vergangene Woche. Ich habe jedoch auch das Gefühl, mit jedem Gespräch wird der Druck nur noch größer. Vielleicht reden wir zu viel.
Muss man von einer Mannschaft, die als eine der erfahrensten der Liga gilt, nicht erwarten können, dass sie mit Druck umzugehen weiß?
Ignjatovic: Vielleicht ist das Prob­lem der unerwartete Erfolg. Mein Ziel war immer, unter den ersten acht zu stehen. Das war realistisch. Jetzt sind wir noch immer Vierter. Vielleicht hat der eine oder andere den Blick für die Realität etwas verloren. Die sagt mir, dass in dieser Liga Erfolg und Misserfolg hauteng beieinander liegen. Wäre das Spiel gegen Freiburg nach zweimaliger Verlängerung noch verloren gegangen, hätten die Probleme schon viel früher begonnen. Wir haben eine emotionale, eine sensible Mannschaft, das wusste ich schon immer. Das war lange Zeit unser Erfolgsgeheimnis. Jetzt ist es eben ein Nachteil.
Wie sehr darf man sich als Trainer von der aufgeheizten Stimmung auf dem Spielfeld anstecken lassen? Sie haben am Sonntag in einer heiklen Phase des Spiels zum dritten Mal ein technisches Foul kassiert.
Ignjatovic: Damit habe ich der Mannschaft sicher keinen Dienst erwiesen. Es gab in dieser Phase ein halbes Dutzend Schiedsrichterentscheidungen, die nicht nachzuvollziehen waren. Da ist es auch meine Pflicht, die Mannschaft zu unterstützen und in Schutz zu nehmen. Das wird von meinen Spielern auch erwartet. Sicher ist das immer eine Gratwanderung und solche Dinge wie gegen München (Platzverweis nach dem zweiten technischen Foul, Anm. d. Red.) passieren mir normalerweise nicht. Ich bin nun mal kein Trainer, der seine Emotionen in der Kabine lässt.
Das Spiel am Sonntag wurde vor allem in der Defensive verloren. Was lief da schief?
Ignjatovic: Ausschlaggebend war das Duell Steven Esterkamp gegen Gordon Scott. Gordon ist noch immer nicht der Alte und mit Sebastian Adeberg fehlte die Alternative auf dieser Position. Von den anderen kam da einfach zu wenig Unterstützung.
Sebastian Adeberg war zunächst nur erkältet, jetzt ist von einer Knieverletzung die Rede. Wie steht es um ihn?
Ignjatovic: Sebastian ist einer, der immer alles gibt. Er leidet schon seit Längerem an einer Reizung der Patella-Sehne. Das war auch der Grund, weshalb er am Sonntag nicht gespielt hat. Die Ärzte raten ihm zu einer dreiwöchigen Pause. Er weiß natürlich, wie wichtig er in dieser Situation für die Mannschaft ist. Wir werden mit Blick auf die kommenden schweren Spiele einen vertretbaren Kompromiss finden müssen. Die Gesundheit des Spielers geht auf jeden Fall vor.
Ihre Vertragsverlängerung in Kirchheim ist so gut wie beschlossen. Soll das als positives Signal in schwieriger Zeit verstanden werden?
Ignjatovic: Offen gesagt bin ich nicht besonders glücklich, dass mein Vertrag gerade jetzt Thema ist. Es freut mich natürlich, dass mir der Verein sein Vertrauen schenkt. Der wahre Charakter von Menschen zeigt sich immer in schlechten Zeiten. Es geht aber nicht um mich, sondern um die Frage, wohin sich Basketball in den kommenden Jahren in Kirchheim entwickelt. Deshalb habe ich den verantwortlichen Personen sehr detailiert meine Vorstellungen mitgeteilt.
Darin geht es vor allem um die Nachwuchsförderung.
Ignjatovic: Wenn man auf Dauer Erfolg haben will, muss man das Potenzial in Kirchheim nutzen und im Jugendbereich massiv angreifen. Es geht darum, in den kommenden drei Jahren ein JBBL-Team (Nachwuchsbundesliga, Anm. d. Red.) auf die Beine zu stellen, neue Trainer zu gewinnen, einheitliche Trainingsrichtlinien und gezieltes Individualtraining zu fördern. Vor allem geht es darum, für die notwendigen Hallenkapazitäten zu sorgen.
Das klingt nach Abnabelung vom großen Bruder Ludwigsburg.
Ignjatovic: Ich glaube nicht, dass wir dadurch in Konflikt geraten. Ludwigsburg muss ein Interesse an guter Jugendarbeit in der Region haben. Wer anders denkt, hat selbst ein Prob­lem. Wir müssen unsere Kooperation ständig weiterentwickeln. Es ist kein Geheimnis, dass momentan beide Seiten unzufrieden sind. Ludwigsburg, weil ihre Kooperationsspieler nicht die Spielzeiten bekommen, die  erwartet wurden, Kirchheim, weil die Spieler nicht das Niveau mitbringen, das die Pro A verlangt.
Zu guter Letzt, wann endet die Kirchheimer Krise?
Ignjatovic: Wenn ich wüsste, wo der Knopf ist, hätte ich ihn längst gedrückt. Es gab eine lange Zeit des Erfolgs. Jetzt haben wir dreimal verloren. Wichtig ist: Man darf jetzt nicht alles infrage stellen.