Kirchheim. In Momenten größter Schmerzen schadet ein schlauer Satz nie: Die Tragödie als klassische Schauspielgattung definiert sich bekanntlich durch die Fallhöhe zum Zeitpunkt der Katastrophe. Einfacher ausgedrückt: Die knapp 1 300 Zuschauer am Samstagabend in der Sporthalle Stadtmitte haben großes Theater erlebt. Und sich dabei als durchaus fachkundiges Publikum erwiesen. Wie der Läufer, der Zentimeter vor der Ziellinie die Arme in die Höhe reißt, während sein Gegner auf der Nebenbahn im letzten Moment an ihm vorbeizieht, standen sie drunten auf dem Parkett und mussten sich feiern lassen. Tragische Helden mit hängenden Köpfen. Danach zumute war keinem in diesem Moment. Aus dem Beifall von den Rängen sprach Trotz, aber wohl auch die Erkenntnis, die Kirchheims Übungsleiter Michael Mai anschließend so formulierte: „Wir haben gegen eines der stärksten Teams dieser Liga das Spiel 39 Minuten lang kontrolliert.“ In der Sprache des Amerikaners hätte sich dieser Satz fortsetzen lassen: So what?
Elf Spieltage sind durch, sieben Siege auf dem Konto, Platz vier in der Tabelle. Das eigentlich Bemerkenswerte: Bei den bisherigen vier Niederlagen waren die Kirchheimer nicht unbedingt schlechter als der Gegner. Ein Richie Williams in Normalform und eine durchschnittliche Freiwurfquote hätten am Samstag gereicht, um den nächsten Großkopferten der Liga mit einem blauen Auge nach Hause zu schicken und sich hinter Jena und Vechta vorne einzunisten. Williams verlor das Duell der beiden Spielmacher gegen Guyton klar. Zwar steuerte der 28-Jährige erneut sechs Assists bei, leistete sich in entscheidenden Momenten allerdings zu viele Ballverluste und ungewohnte Wurfschwächen. Nur zwei seiner insgesamt 16 Versuche aus dem Feld saßen.
Nun wird Michael Mai nicht dafür bezahlt, dem Status quo zu huldigen, sondern die Mannschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten maximal voranzubringen. Leise daran zu erinnern, dass der Rutsch auf Platz vier nach Kirchheimer Maßstäben kein Beinbruch sein kann, ist dennoch sein gutes Recht. Zumal seine Mannschaft am Samstag zwar keinen Glanztag erwischte, aber dennoch tat, was sie in bisher allen Spielen ausgezeichnet hat: Sie hat dem Gegner Fesseln angelegt und bei Notwürfen aus großer Distanz dem Glück ausgeliefert. Eine Rechnung, die bisher meist aufging. Nur Tabellenführer Jena hat in dieser Saison weniger Punkte kassiert als die Ritter aus der Teckstadt. Wenn dem Erfolg etwas im Wege stand, dann meist mangelnde Wurfausbeute. Bei allen bisherigen vier Niederlagen lag die Gesamtwurfquote aus dem Feld bei deutlich unter 40 Prozent. Zum Vergleich: Beim Überraschungserfolg Mitte Oktober in Vechta fand mehr als die Hälfte aller Kirchheimer Würfe den Weg durch den Ring. „Daran müssen wir arbeiten“, sagt Michael Mai. „Physisch und mental.“
Eine Entwicklung, die sich automatisch vollzieht, je weiter die Zeit fortschreitet. Das zumindest glaubt Christoph Schmidt. Für den Knights-Geschäftsführer wiegt die stabile Defensive schwerer als die bisher offenbarten Offensivschwächen. „Unser Verletztenproblem hat sich auf die Offensive stärker ausgewirkt“, sagt Schmidt, der davon ausgeht, dass sich die Mannschaft mit zunehmender Saisondauer auch in diesem Bereich stabilisiert. „Die Verteidigung ist das, worüber wir uns in dieser Saison definieren wollten,“ meint er. „Das ist uns bis hierher gut gelungen.“