Lokalsport

Mördertouren im Fahrradsattel

Extremsport als Lebensaufgabe: Rainer Klaus. Foto: Jean-Luc Jacques
Extremsport als Lebensaufgabe: Rainer Klaus. Foto: Jean-Luc Jacques

Serie Was macht eigentlich...Rainer Klaus? Dieser Mann lässt einen staunen - soll man ihn bewundern? Oder mitleidig belächeln? Der 56-Jährige lebt anders als andere und sagt, warum: „Wer macht, was die Masse macht, wird nie entdecken, wie einzigartig er ist.“ Der studierte Meteorologe aus Hochwang ist Extremradfahrer. Sein ehrgeiziges Ziel: Bis zur Rente mit 67 eine Million Meilen - 1,609 Millionen Kilometer - im Sattel zurückzulegen, fast fünfmal die Entfernung von 384 000 Kilometern von der Erde bis zum Mond. Sagenhafte 1,33 Millionen hat er bereits geschafft, akribisch erfasst per GPS.

Unglaublich manche seiner „Etappen“. Mördertouren wie die 7630 Kilometer von Hochwang zum Nordkap in 28,5 Tagen. 4000 Kilometer von Kanada nach Mexiko in 18 Tagen. 24 Stunden im 30er-Schnitt nach Berlin. Nonstop über 46 Alpenpässe in fünf Tagen, 14 Stunden. 59 Mal in 24 Stunden die Hochwang-Steige rauf und runter. Vom Atlantik zum Pazifik quer durch die USA. Oder von Nord nach Süd durch Australien.

Diese Tour 2006 endete nach einer Kollision mit einem Dingo in der Klinik. Während er sich von diesem Unfall rasch erholte, hätte ein folgenschwerer Zusammenstoß mit einem Fußgänger 2012 im Allgäu fast das Aus bedeutet. Becken, Hüftgelenk und Oberschenkelhals waren gebrochen. Ein Vierteljahr lang konnte er weder stehen noch liegen und musste wieder laufen lernen. Nach drei Jahren vor Gericht blieb die Schuldfrage ungeklärt. Klaus: „Die Gutachterkosten bis zur letzten Instanz hätten mich aufgefressen.“

Nach und nach erholte er sich, muss aber nun körperliche Einschränkungen in Kauf nehmen. „Skifahren und Joggen geht nicht mehr. Rad fahren ist wieder möglich, aber Schmerzen bei längeren Belastungen schmälern den Spaß.“ Ein E-Bike käme für ihn trotzdem nie in Frage: „Das ist für mich kein Fahrrad, sondern ein Motorrad.“

Sein Traum von der Erfüllung des selbst gesetzten Ziels lebt weiter. Die Kilometer dafür sammelt Rainer Klaus mit konzeptionellen Tests von Prototypen für die Fahrradindustrie. Er versorgt zwei Haushalte, den seiner Mutter und den eigenen. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Hausverwalter und mit Fachvorträgen, für die er allerdings nicht per Handy gebucht werden kann - er hat keins. „Ich will nicht für alle verfügbar sein“, lautet die Begründung eines Mannes, der anders tickt als die meisten anderen. Klaus Schlütter