Lokalsport
Nerven bis der Geduldsfaden reißt

Basketball Wichtiger als der Überraschungserfolg gegen Vechta ist ein Kirchheimer Trend, der Früchte trägt: Die Knights rauben dem Gegner die Lust. Von Bernd Köble

Wer schon immer mal wissen wollte, warum die Sporthalle Stadtmitte von Gegnern in der Pro A gefürchtet ist, bekam am Dienstagabend eine Antwort. Spätestens nach Beginn der Overtime gab es im Kirchheimer Hexenkessel nur noch Stehplätze und obendrein grenzwertige Dezibel-Werte auf die Ohren. Dass die Halle bebte und viele Fans nicht glauben wollten, was sie da sahen, dazu hatte auch Igor Perovic im Vorfeld beigetragen. Vechta habe schlicht alles, was man braucht, um aufzusteigen, hatte Kirchheims Cheftrainer den Tabellenführer vor dem Duell stark geredet. Am Ende hatte Vechta zu wenig, um dem Außenseiter aus der Teckstadt im Vorbeigehen die Punkte abzuknöpfen.

Außenseiter – ja wirklich? Spätestens nach dem völlig überraschenden 93:87-Heimsieg in der Verlängerung gegen das Rasta-Team kann man diese Frage schon mal stellen. Vom vermeintlichen Abstiegskandidaten zur Mannschaft der Stunde innerhalb von elf Tagen – was macht das mit Spielern, und wie viel von dem ist Teil einer ersehnten nachhaltigen Wende? Fest steht: Team und Trainer
 

Es gibt nicht viele Teams, die Vechta schlagen.
Igor Perovic
Headcoach der Knights
 

brauchten viel Geduld, bis am Ende einer langen Serie mit Krankheiten und Verletzungen Normalität im Training einkehrte. Ständige Wechsel und häufige Systemänderungen trugen dazu bei, dass sich Neuzugänge wie Michael Flowers, Kayne Henry oder Aitor Pickett in ihrem ersten Jahr im deutschen Basketball schwertaten, ihre Rolle zu finden. Nicht nur die drei zeigen seit Wochen eine klare Tendenz nach oben. Am auffälligsten wird dieser Trend bei Pickett, der sich am Dienstag mit 14 Punkten und acht Rebounds von seinem Image des offensiv erfolglosen Schwerarbeiters verabschiedet hat. Perovic („er macht die vielen kleinen Dinge, die keiner sieht“) war schon immer von den Qualitäten des Deutsch-Chilenen überzeugt. Die Zuschauer dürften es spätes­tens seit diesem Heimsieg sein.

Es fügt sich, was von Beginn an zusammengehören sollte. Der Mix aus erstligaerprobten Routiniers wie Williams oder Nash und jungen Wilden, die mit dem nötigen Selbstvertrauen in der Lage sind, zu zaubern. Zaubern wollte auch Vechta direkt nach der Halbzeit. Doch das ging gründlich schief. Debatten mit den Unparteiischen, technische Fouls und schwindende Lust, die Ärmel hochzukrempeln, spielten den immer bissiger kämpfenden Gastgebern in die Karten. Nerven bis zum Ausfoulen, das war der Plan, und der ging auf, als mit Ferner und Agee Vechtas Hauptachse kurz vor Ende der regulären Spielzeit endgültig auf der Bank saß. „Ich wusste, wenn wir physisch spielen, dann haben wir eine Chance“, sagt Igor Perovic, der sich an diesem Abend ungewohnt emotional zeigte und den Fanblock immer wieder anstachelte, wenn der Geräuschpegel in der Halle zu sinken drohte. „In diesem Moment mussten wir alles tun, was zum Erfolg beiträgt“, sagt er. „Es gibt nicht viele Teams, die Vechta schlagen.“ Für Knights-Sportchef Chris Schmidt heißt es nun, einen klaren Blick zu wahren. „Phasen, in denen wir zu überzeugen wussten, gab es früher schon“, meint er. „Am Sonntag in Schwenningen beginnen wir bei null.“

Dringend gesucht: Entlastung für Nash

Tyrone Nash ist eine Art Lebensversicherung für die Knights. Mit 13 Punkten, vier Assists und 16 Rebounds verbuchte der 34-Jährige den Topwert im Spiel gegen Vechta. Mit seinem fünften Double-Double in dieser Saison ist er den derzeit drei besten Centerspielern in der Liga dicht auf den Fersen: Stefan Fundic (Gießen), Tajuan Agee (Vechta) und Maurice Pluskota (Karlsruhe) sind momentan die Referenz unterm Korb. Kehrseite der Medaille: Nash steht mit mehr als 30 Minuten pro Spiel neben Richie Williams am längsten aller Kirchheimer Spieler auf dem Parkett.
Die Knights sind nach der Verletzung von Mitch Lightfoot deshalb intensiv auf der Suche nach einer Alternative – im Moment ohne Erfolg. „Es gibt kaum Optionen,“ sagt Teamchef Chris Schmidt. „Entweder sie helfen uns nicht weiter oder sie entsprechen nicht unseren finanziellen Möglichkeiten.“ Das Transferfenster ist noch bis 15. Februar geöffnet.
Für Schmidt eine Frage der Abwägung: „Wir wollen nicht alles auf links drehen und Hierarchien und Gefüge in der Mannschaft ändern“ sagt er. „Wir brauchen aber einen, der Ty die nötigen Pausen verschafft.“  bk