Lokalsport
Neue Sporthalle in Kirchheim: Alternativlos und unbezahlbar?

Sportstätten Die Stadt braucht dringend Flächen für den Schul- und Vereinssport. Doch keiner weiß, woher das Geld für eine neue Halle kommen soll. Dabei brächte eine Lösung viele Chancen. Von Bernd Köble

Seit vergangener Woche sind die Eckdaten öffentlich bekannt. Was die Raumnot von Schulen und Sportvereinen in Kirchheim angeht, auch was die Lösung des Problems vermutlich kosten würde. Woher die geschätzte Mindestsumme von 35 Millionen Euro für eine neue Halle am Freibad kommen könnte, weiß im Moment niemand. Darüber, dass an einem Neubau kein Weg vorbeiführt, will man nicht wesentliche Teile des Sportbetriebs opfern, herrscht Konsens. Bis der Gemeinderat im Frühsommer entscheiden wird, ob die 54 000 Euro teure Machbarkeitsstudie weiterverfolgt wird oder nicht, haben Schul- und Vereinsvertreter ein Ziel: verhindern, dass die Pläne in der Schublade verschwinden.

Nur wie? „Wir müssen den Mehrwert für Kirchheim stärker in den Fokus rücken“, sagt Bettina Schmauder. „Und wir müssen einen Weg zu einem tragfähigen Finanzierungskonzept finden.“ Die Geschäftsführerin der Kirchheim Knights gilt als treibende Kraft hinter den Hallenplänen. Die Knights haben die in Auftrag gegebene Studie zur Hälfte mitfinanziert. Dass die Halle für Kirchheims Zweitliga-Basketballer von existenzieller Bedeutung ist, gilt als Fakt. Dass es sich um ein reines Basketball-Thema handelt, ist ein Irrtum. Fehlende Hallenflächen sind quer durch die Vereinslandschaft der größte Entwicklungshemmer. Das gilt selbst für den Kulturbetrieb, nachdem auch die Stadthalle aus den 70er-Jahren längst an Grenzen stößt.

 

Aus meiner Sicht gibt es keinerlei Alternativen zu einer neuen Halle.
Michaela Pohl Vertreterin der Turnabteilung im VfL

Im Schulsport ist Platzmangel seit Langem ein Thema. „Wenn die Halle nicht kommt“, sagt Thors­ten Bröckel, Geschäftsführender Schulleiter der Kirchheimer Schulen, klipp und klar, „dann können wir nicht mehr den Beitrag zur Gesundheit unserer Kinder leisten, den wir eigentlich müssten.“ Eine weit verbreitete Sorge teilt auch er: „Die Gefahr, dass das Projekt aus Kostengründen nicht weiter verfolgt wird, ist groß.“

Im VfL Kirchheim, der mit inzwischen mehr als 4600 Mitgliedern zu den Großvereinen im Land zählt, bedroht die Platznot jegliches Wachstum. Dabei ist es eigentlich erfreulich, dass fast alle Sparten die Folgen der Pandemie heil überwunden haben. Nicht nur angesichts fast jährlicher Studien, die belegen, wie gravierend die Auswirkungen von Bewegungsmangel in der Entwicklung von Kindern sind.  „Bei denen, die den stärksten Zulauf verzeichnen, ist die Not am größten“, sagt VfL-Geschäftsführer Moritz Hönig. Die Turner, die Basketballer, die Leichtathleten – das sind die Abteilungen, die im Moment am schnellsten wachsen. Selbst als es Ende des Jahres darum ging, die betagte Konrad-Widerholt-Halle mit ihrem überschaubaren Platzangebot als mögliches Flüchtlingsquartier vorzuhalten, schrillten nicht nur in der VfL-Geschäftsstelle die Alarmglocken. „Das hätte bedeutet, dass der Fußball-Kindergarten, die Ballsportschule der Handballer und die Kinder-Leichtathletik schlagartig weggefallen wären“, macht Hönig deutlich.

Mitgliederrekord im Turnen

Für die Turner ist Enge Alltag. Das, obwohl die mitgliederstärks­te Gruppe in der Raunersporthalle neben dem Schulbetrieb quasi ein Exklusivrecht genießt. Die Abteilung, die Bundesliga-Wettkampfbetrieb und Breitensportauftrag seit vielen Jahren erfolgreich vereint, hat im vergangenen Jahr erstmals die 900-Mitglieder-Marke geknackt und platzt aus allen Nähten. Im Kinderturnen und Mutter-Kind-Turnen gibt es lange Wartelisten. Das Zweitliga-Gastrecht der Männer, die zuletzt nur knapp am Aufstieg in die erste Liga gescheitert sind, hängt bis jetzt an einer Sondergenehmigung, denn eigentlich ist die Raunersporthalle zu klein.

Anfang Juli ist der VfL Gastgeber beim Wettkampf der Deutschen Turnliga. An diesem Wochenende werden sich die bes­ten Turnerinnen und Turner der Nation in der Teckstadt messen. Möglich ist dies nur durch einen Umzug in die Sporthalle Stadtmitte. Doch auch der gestaltet sich schwierig, weil es in der Halle keine Zufahrt gibt, auf der schweres Gerät transportiert werden kann. In einer Großsporthalle sind solche Dinge Standard. „Unsere Möglichkeiten sind völlig ausgeschöpft“, sagt Abteilungssprecherin Michaela Pohl. „Aus meiner Sicht gibt es keinerlei Alternativen zu einer neuen Halle.“

Kommentar: Runter mit den Kosten

In einem Punkt war die in Auftrag gegeben Studie zu einem möglichen Hallenneubau in Kirchheim schon jetzt gut angelegtes Geld. Die Expertise macht erstmals deutlich, wie groß die Not für Vereine und Schulen in der Teckstadt tatsächlich ist. Die Stadt braucht nicht nur eine neue Sporthalle. Sie bräuchte rein rechnerisch eigentlich zwei. Gleichzeitig räumt das Papier auf mit einer These, die bis heute in vielen Köpfen steckt und die den Eindruck vermitteln will, hinter der Debatte verberge sich in Wahrheit ein Privileg der Kirchheimer Profi-Basketballer.
Zwei Erkenntnisse, die eines gemein haben: Sie helfen im Moment nicht weiter. Die Stadt ist finanziell klamm und steckt mit Aufgaben bei der Schulsanierung, dem vertagten Umbau des Kornhauses oder den Plänen für einen Verwaltungsneubau im Investitionsstau. Ganz nebenbei braucht Kirchheim ein Hallenbad. Ein Thema, an das Oberbürgermeister Pascal Bader bei seiner Amtseinführung vor drei Jahren ein Wahlversprechen geknüpft hat, das ihm nun in finanziell schwierigen Zeiten droht auf die Füße zu fallen.
Dennoch gilt: Wo ein Wille ist, ist nicht selten auch ein Weg. Den Schulterschluss üben, Geld- und Förderquellen erforschen, ein tragfähiges Konzept ausloten. Das hieße zuallererst: runter mit den Kosten. Als Kirchheimer Blaupause dient im Moment der SNP Dome in Heidelberg – angepasst an hiesige Verhältnisse. Eine Schulsporthalle, Kulturbühne und Spielstätte der dortigen Erstliga-Basketballer, die Platz für mehr als 4000 Zuschauer bietet. Die Studie will daher vor allem eines sein: Orientierungsmarke und Grundlage für weiteres Arbeiten. Die Zeit dafür sollten sich Verwaltung und Gemeinderat, die vor Beginn der Sommerpause eine endgültige Entscheidung treffen wollen, nehmen. In Schulen und Vereinen fürchtet man indes den kurzen Weg, der da hieße: ab ins Archiv und Deckel drauf. Bernd Köble