Lokalsport

„Olympische Spiele gehören abgeschafft“

Doping Micky Corucle, Lado Fumic und Tobias Unger sind nach den jüngsten Enthüllungen im Kampf gegen Betrüger im Sport geteilter Meinung. Von Klaus Schlütter

Mit unerlaubten Mitteln auf Medaillenjagd - nach den jüngsten Enthüllungen steht zu befürchten, dass auch bei den Winterspielen
Mit unerlaubten Mitteln auf Medaillenjagd - nach den jüngsten Enthüllungen steht zu befürchten, dass auch bei den Winterspielen in Südkorea gedopt wird. Foto: Martin Fredy/istockphoto

Dreitausend Athleten aus aller Welt, darunter 154 aus Deutschland, und zig Millionen an den Bildschirmen fiebern dem Start der Olympischen Winterspiele in Südkorea entgegen. Nur einer nicht: Leichtathletik-Verbandstrainer Micky Corucle (55). Der Köngener, der die Sprinter des VfL Kirchheim und VfB Stuttgart betreut, ganz drastisch: „Die Olympischen Spiele gehören abgeschafft!“

Wie bitte? Corucle legt gleich nach: „Olympia kostet viel Geld und ist nur noch was für VIPs. Die Verbände sind voll von gescheiterten und korrupten Politikern, die den Sport in den Schmutz ziehen.“ Mit dem „Schmutz“ ist die Seuche Doping und Korruption gemeint, „die ohne Unterstützung der Verbände gar nicht möglich wären“. Ein erneuter Beleg dafür seien die Enthüllungen der ARD um manipulierte Urin-Flaschen russischer Athleten bei den Winterspielen 2014 in Sotschi. Dazu passend die Aussage des früheren Leiters des Moskauer Anti-Doping-Labors, Grigorij Rodtschenkow, dass Staatspräsident Putin alles gewusst habe.

Die Dopingagenturen WADA (international) und NADA (national) versuchen, den Betrügern auf die Spur zu kommen. Meistens vergeblich. Denn in der Regel sind die den Fahndern immer einen Schritt voraus.

Die Bevölkerung hat die Nase längst voll von diesem unwürdigen Hase-Igel-Spiel - glaubt Micky Corucle. „Wir in Deutschland wollen keine Wettkämpfe mit gedopten Sportlern mehr“, sagt er und verweist auf zwei Abstimmungen gegen die Austragung von olympischen Sommerspielen in Hamburg (2015) und gegen Winterspiele in Bayern (2013).

Zu denen, die das Interesse an Enthüllungsgeschichten verloren haben, zählt auch der ehemalige erfolgreiche Radsportler Lado Fumic (41) aus Kirchheim. Der siebenmalige deutsche Meister und Olympiafünfter 2000 mit dem Mountainbike sagt: „Doping ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es ist im Menschen verankert, zu versuchen, sich mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln Vorteile zu verschaffen, nicht nur im Sport. Wer betrügen will, der macht‘s. Sport ist toll und ein schützenswertes Gut, allerdings ist der Kontrollwahn und das ganze System zum Schutz des Sports von NADA und WADA lächerlich. Es geht gar nicht mehr um den tollen Sport, nur um schlechte Schlagzeilen, und das macht mich sehr traurig.“

Fumic wird bald zum zweiten Mal Vater. Sein Fazit nach 20 Jahren Spitzensport, den er nach einem Burn-out im Alter von 34 Jahren beendet hatte: „Ich werde meinen Kindern abraten, Leistungssport unter den aktuellen Bedingungen zu betreiben.“

Den praktizieren die Söhne von Micky Corucle. Alle drei sind Sprinter auf Topniveau. Der Vater hat keine Bedenken dabei. Er meint: „Die Leichtathletik in Deutschland ist weitgehend sauber. Doch in zahlreichen Sportarten, in denen viel Geld im Spiel ist, ist es nicht möglich, sinnvoll zu kontrollieren.“

Unger setzt auf Aufklärung

Eine Einschätzung, die sein ehemaliger Schützling Tobias Unger (37) nur bedingt teilen kann. „Für jeden würde ich die Hand nicht ins Feuer legen“, sagt der Ex-Europameister aus Kirchheim, der über 200 Meter immer noch den deutschen Rekord hält und aktuell Athletiktrainer der Fußballjunioren des VfB Stuttgart ist. „Bei uns im Verein wird Aufklärungsarbeit in Sachen Medikamentenmissbrauch betrieben. Jeder Jugendliche muss einen Verhaltenskodex unterschreiben. In den vier Jahren, in denen ich dabei bin, habe ich noch keinen Fall erlebt“, versichert er.

Unger hält regelmäßige Kontrollen für richtig. „Damit Auswüchse wie in Russland nicht jegliche Leistung überschatten.“ Von weltweit gleichen Bedingungen, die dafür notwendig wären, könne allerdings keine Rede sein. Unger: „In Jamaika gibt es nicht mal eine Dopingagentur. Wir in Deutschland dagegen sind überkorrekt. Ich musste der NADA jeweils drei Monate im Voraus mitteilen, wo ich mich zu welchem Zeitpunkt aufhalte. Änderungen waren umgehend zu melden.“

Sieht er einen Lösungsansatz, das Dopingproblem dauerhaft in den Griff zu kriegen? Unger schüttelt den Kopf: „Mir fällt keiner ein. Olympische Spiele abzuschaffen fände ich schade. Damit würden die Sportler bestraft, die sauber sind.“ Dagegen sagt er: „Die sauberen Athleten sind schon bestraft, weil die Normen für die Olympia-Teilnahme wegen des Dopings immer wieder angehoben wurden.“