Lokalsport

One, Two, Barbecue

Beachvolleyball Die Jesinger „Beachfoxes“ haben die Sportanlage Lehenäcker zu einer Hochburg der regionalen Szene gemacht – inklusive Ausrichtung eines landesweit ausgeschriebenen Turniers. Von Helge Waider

Packende Duelle im Sand gab es beim Beachvolleyballturnier in Jesingen. Foto: Markus Brändli
Packende Duelle im Sand gab es beim Beachvolleyballturnier in Jesingen. Foto: Markus Brändli

Sommer, Sonne, Sand - es riecht nach UV-Schutz, das Basecap und die Sonnenbrille sind unverzichtbare Ausrüstungsgegenstände. Bibione? Lloret de Mar? Muscle Beach? Nein, Jesingen am vergangenen Wochenende. Dort, auf dem Sportgelände Lehenäcker, steht seit dem Jahr 2008 ein von der TSV-Abteilung Turnen/Leichtathletik verwaltetes Sandspielfeld - gleich neben der Weitsprunggrube, über die die Beachvolleyballer gerne witzeln: „Das ist unser Kinderspielfeld.“

Daniel Bauer strahlt. Sein am Samstag und Sonntag in den Lehenäckern ausgetragenes Turnier der Baden-Württemberg-Serie ist gut besetzt. Samstag ging der Wettbewerb der Herren über die Bühne, am Sonntag das Mixed-Turnier. Der 33-Jährige ist Platzwart, Turnierleiter, Terminverwalter und Bindeglied zum TSV in Personalunion. Und er war der Impulsgeber für die Gründung der Jesinger Beachvolleyballgruppe, „Beachfoxes“ genannt.

Bauer betreibt die Sportart schon seit 16 Jahren - also noch vor den olympischen Erfolgen deutscher Athleten (siehe Infokasten). Gemeinsam mit seiner Frau war er meist auf öffentlichen Plätzen aktiv, bevor er von der Anlage in Jesingen erfuhr, die trotz wettbewerbsfähiger 16 mal acht Metern nicht so recht angenommen wurde. Daniel Bauer, gut vernetzt im lokalen und regionalen Beachvolleyball, nahm sich zur Freude der Jesinger Sportfunktionäre zusammen mit seinen Kameraden der Anlage an. Anfangs wurde Platzmiete bezahlt, später folgte der Eintritt in den TSV - und schnell der Job als Platzwart, der auch die Terminvergabe voll im Griff hat. Der Lohn: eine funktionierende, zwölf Köpfe große Beachvolleyball-Community, Auch Kai Hörs- ting, einst Fußball-Toptorjäger beim TSV Weilheim und VfL Kirchheim entwickelte sich in den Lehenäckern zu einem guten Beachvolleyballer.

Ein Highlight folgte 2019, als mit viel Eigenleistungen ein Flutlicht installiert wurde - schließlich be- ackern die Jesinger die 64 Quadratmeter pro Teamfeld nicht nur an heißen, sonnigen Tagen, sondern auch im Frühjahr und Herbst, wenn die Tage kürzer sind. Daniel Bauer: „Ab etwa fünf Grad gehen wir in den Sand.“

Lokalmatador gewinnt B-Turnier

Am Wochenende herrschten freilich Temperaturen um die 30 Grad und somit nahezu Idealbedingungen im Sand. Das Programm sah ein Herren-C-Turnier vor. Jonas Sorg und Tobias Blahut (Tübingen) holten hier den Sieg. Das B-Mixed-Turnier, bei dem das Netz statt 243 „nur“ 237 Zentimeter hoch hängt, gewann mit dem letztjährigen baden-württembergischen Vizemeister Till Birkenfeld ein einheimischer „Beachfox“ - gemeinsam mit Spielpartnerin Claudia Duckstein (Neckarsulm).

Die Turniererfolge zählen zur baden-württembergischen Rangliste, wobei die aufsteigende Klassifizierung des Turniers mit C, B, A die bereits erreichten Ranglistenplätze der Teilnehmer berücksichtigt. Gespielt wurde in Jesingen übrigens nach dem Jeder-gegen-Jeden-Modus mit Gruppenphase und anschließender K.o.-Runde. Ansonsten ist eher der „Double-Elemination“ oder „Double-Out“-Modus geläufig - die Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst erklärten den mit diesem Modus zusammenhängenden Begriff „One, Two, Barbecue“ einst für den Laien so: „Wenn du zweimal verloren hast, kannst du grillen gehen.“

Von den US-Stränden bis in die olympische Familie

Wer denkt, dass Beachvolleyball eine hippe, neuzeitliche Sportart ist, wird beim Blick in die Geschichtsbücher enttäuscht: Zwar wurde zunächst 1896 das klassische Volleyballspiel vom US-Amerikaner William G. Morgan erfunden. Doch bereits knapp 20 Jahre später wurde das erste Beachvolleyball-Match notiert.

Die Sandvariante der noch neuen Sportart schwappte schnell von den Stränden Kontinentalamerikas und Hawaiis herüber und verbreitete sich schnell in den Vereinigten Staaten.

Nach Europa gelangte Beachvolleyball um 1930 und erfreute sich interessanterweise zunächst im Osten großer Beliebtheit. Bulgarien, Lettland und die Tschechoslowakei waren die ersten Hochburgen. Kurz darauf verhalf die damalige Nudistenhochburg Franconville vor den Toren von Paris der Sportart zur Ausbreitung in Westeuropa. Dennoch dauerte es bis 1996, ehe Beachvolleyball in Atlanta erstmals offiziell olympisch wurde.

In Deutschland gelang der Durchbruch spätestens nach den Olympiasiegen von Julius Brink und Jonas Reckermann 2012 in London sowie Laura Ludwig und Kira Walkenhorst vier Jahre später bei den Spielen in Rio de Janeiro.

Nicht nur die Anzahl der Spieler unterscheidet die Sandvariante vom klassischen Volleyball. „Die Taktik ist komplett anders und wir spielen mit deutlich mehr Technik“, klärt Daniel Bauer auf. Das manifestiert sich auch über die Vielzahl englischer Fachbegriffe der speziellen Beachvolleyball-Techniken für das sogenannte untere Zuspiel - also der landläufige „Bagger“ - und das obere Zuspiel („pritschen“). Von Cutshot, Lineshot oder Pokeshot ist dann die Rede. Oder von so fantasievollen Bezeichnungen wie Beachdig, Tomahawk oder Chickenwing.

Bei aller Coolness der Sportart wird aber auf politische Korrektheit wert gelegt: die Bekleidungsvorschrift, nach der Frauen ausschließlich im Bikini spielen dürfen, wurde im Zuge der Sexismus-Debatte 2012 geändert. Heute dürfen Männlein wie Weiblein in Shorts und Shirts auf Punktejagd gehen. wai