Lokalsport

Ying und Yang

Randnotiz zum Konflikt zwischen Ballsportlern und Ausdauertraining

Max Pradler

Ballsportler sind zurzeit ganz arm dran. Als wäre das Leben im Isolationsmodus zwischen Sofa, Kühlschrank und Home-Office nicht schon nervenzehrend genug, können wir momentan nicht einmal unserem geliebten Hobby nachgehen. Dabei wollen wir doch nur mal wieder das innere Ying und Yang in Gleichklang bringen. Aber alles was uns dazu bleibt, ist das Joggen. Na klasse! Egal ob Fußballer, Handballer oder Basketballer: Wenn es eines ist, was alle vereint, ist es die tiefe Abneigung gegenüber konditioneller Arbeit. Hätten wir als Kind Wert auf Ausdauer gelegt, hätten wir uns beim Leichtathletikverein angemeldet oder würden seit Jahren die immer gleichen Kacheln im Hallenbad zählen. Nein, Ballsportler ticken von klein auf anders. Das sind Individualisten, Künstler, ja regelrechte Virtuosen am Spielgerät. Da geht es um Instinkt, um blitzschnelle Entscheidungsfindung. Das Laufen ohne Ball ist auf dem Spielfeld nichts weiter als ein lästiges Mittel zum Zweck. Es gehört halt dazu - obwohl jeder weiß: Wer viel unterwegs ist, steht offensichtlich falsch.

Das Rätsel mit dem Ego

Es war schon immer klar: Wenn Ballsportler eines Tages auf den Feldwegen der Region herumhüpfen, dann stimmt etwas nicht. Das ist nun der Fall, Corona sei dank. Begegnen sie sich unterwegs dann auch noch, ist das Drama perfekt: Sofort empfinden beide Parteien eine innige Solidarität, das unsichtbare Band des Leidens verbindet. Man kennt sich ja schließlich, auch über die Grenzen der jeweiligen Sportarten hinweg. Wenn sich die qualvollen Blicke treffen, fühlt es sich an, als würde man sich gegenseitig Respekt zollen, Mitleid schenken und sich gedanklich auf die Schulter klopfen, um zu sagen: „Komm‘ schon, wir packen das.“ Insgeheim würden wohl beide am liebsten unverzüglich aufhören zu joggen, um stattdessen barmherzig und kameradschaftlich den restlichen Weg gemeinsam zurück zu spazieren.

Doch Zeit für Romantik bleibt keine, denn nicht zuletzt sind Ballsportler auch „echte Kerle“. Da zeigt man keine Schwäche. Ganz im Gegenteil. Jetzt wird erst recht nochmal das Tempo erhöht. Um den anderen zu beeindrucken? Um ihn anzuspornen? Oder einfach nur fürs eigene Ego? Die Psychologie wird dieses Rätsel wohl nie lösen, die Sportler wissen es vermutlich nicht mal selbst. Doch alles, was diese testosterongetriebene, armselige Machtdemonstration bringt, ist Einsamkeit. Denn 40 Meter später, wenn die Puste nach dem kurzen Spurt völlig am Ende ist und man deshalb den restlichen Weg völlig entkräftet nach Hause schleicht, ist man vor allem wieder eins: allein.

Zwei Dinge sind daher definitiv festzuhalten: Die frisch aufflammende Liebe zu „meiner“ Sportart, aber auch die große Bewunderung aller Ausdauerathleten. Max Pradler