Lokalsport
Schiedsrichtermangel im Handball: Jetzt geht’s an Eingemachte

Handball Dass Unparteiische fehlen ist nicht neu. In dieser Saison müssen deshalb erstmals Spiele in größerer Zahl abgesagt werden. Schuld an der Misere tragen die Vereine. Von Andreas Pflüger

Dass Fußballpartien um diese Jahreszeit ausfallen, weil die Plätze nicht bespielbar sind, ist nichts Außergewöhnliches. Wenn aber, wie an den vergangenen beiden Wochenenden, im Bereich des Handballverbands Württemberg (HVW) insgesamt 14 Begegnungen abgesagt werden, lässt das aufmerken. Die Hauptschuld daran hat nicht das Coronavirus, sondern ein eklatanter Mangel an Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern. Betroffen war unter anderem das Verbandsliga-Derby der Männer zwischen Hegensberg/Liebersbronn und Denkendorf.

Dass Unparteiische ein rares Gut sind, ist im Handball nichts Neues. Schon seit Jahren versuchen der HVW und seine Bezirke, dem Problem erfolglos Herr zu werden. Im August hat der Verband eine „Notfallverordnung“ verabschiedet. Die drei wesentlichen Maßnahmen: Können Wochenendspiele von der Landesliga


 

„Die Strafen werden klaglos gezahlt,
manchmal von Sponsoren.
Dirk Zeiher
Der HVW-Schiedsrichterwart zu Sanktionen von Vereinen, die ihr Schiedsrichtersoll nicht erfüllen.
 

aufwärts bis Freitag, 12 Uhr, nicht mit Schiedsrichtern besetzt werden, verständigen die Einteiler den Staffelleiter, der wiederum die Vereine über den Ausfall informiert. In den Bezirksklassen darunter müssen sich die Teams, sofern kein Referee auftaucht, „auf eine verfügbare Person als Schiedsrichter einigen“. Zudem können Samstagsspiele – ihr Anteil liegt bei 80 Prozent – kostenfrei verlegt werden.

Zum erhofften Weckruf in den Vereinen hat dies scheinbar nicht geführt. Zumal die ersten Spieltage noch relativ reibungslos über die Bühne gingen. Dass die Lage zuletzt eskaliert ist, kann HVW-Schiedsrichterwart Dirk Zeiher erklären: „Extrem viele Samstagsspiele, dann noch Herbstferien und ein langes Wochenende, an dem auch ein Schiedsrichter schon mal wegfährt, mehr muss man dazu wohl nicht sagen.“ Für Zeiher ist es dennoch nur die Spitze des Eisbergs. „Nicht einmal fünf Prozent der auf Verbandsebene agierenden Mannschaften erfüllen ihr Schiedsrichter-Soll“, rechnet der Verbandsfunktionär vor. Die dafür fälligen Strafgebühren werden klaglos bezahlt – manchmal von Sponsoren.“ Eine Verschärfung – in anderen Landesverbänden gibt es Punktabzüge – sieht Zeiher mit Skepsis: „Bei uns würden ja praktisch alle mit Minuspunkten starten, sodass die Strafe ins Leere geht.“

Wolfgang Stoll, der Vorsitzende des Handballbezirks Esslingen-Teck und Abteilungsleiter des TSV Wolfschlugen, fängt gar nicht erst an, die Schuld beim Verband zu suchen: „Die Schiris gehören zu den Vereinen und kommen aus den Vereinen, also beantwortet sich die Frage, wer für den Mangel verantwortlich ist, von selbst.“ Stoll: „Jeder Verein muss sich an die eigene Nase fassen.“

Schiedsrichterwart Dirk Zeiher wird deutlicher: „In den vergangenen Jahren wurde die Mangelverwaltung auf dem Rücken der Schiedsrichter ausgetragen, die da waren.“ So gebe es auch in dieser Saison Gespanne, die zwischen September und Jahresende 25 Begegnungen pfeifen würden. Er wäre im Gegenzug gespannt, meint Zeiher, wie ein Spieler reagieren würde, wenn man ihm sage, er solle im gleichen Zeitraum ebenso oft um Punkte kämpfen.

Warum es am Nachwuchs mangelt? „In den Handballabteilungen haben die Schiedsrichter oft keinen Stellenwert. Da ist es wichtiger, einen dritten Brötchenverkäufer zu finden, weil damit ja Geld reinkommt“, meint Zeiher. Hinzu kämen die Pöbeleien von den Tribünen oder den Trainerbänken. „Das will und muss ein 17-Jähriger nicht haben.“ Dabei sei es mittlerweile so einfach wie noch nie, den Schiri-Schein zu machen. Es gebe Ausbildungsverkürzungen und Möglichkeiten für Quereinsteiger. Allerdings müsse es jetzt schnell gehen.