Lokalsport

„Selbstbewusstsein – irgendwann hat man es“

Spätestens im Olympiajahr 2016 sollen in der Handball-Bundesliga der Frauen nur noch weibliche Schiedsrichter-Gespanne im Einsatz sein. Im DHB ist man davon allerdings noch Lichtjahre entfernt. Wer ehrgeizige Ziele verfolgt, braucht deshalb Erfolgsmuster. Jana Porstendörfer und Daniela Aierle sind so eines.

Handball-Schiedsrichtergespann Daniela Aierle und Jana Postendörfer
Handball-Schiedsrichtergespann Daniela Aierle und Jana Postendörfer

Kirchheim. Etwa 45 Prozent der 3 600 Handballspiele im Bezirk Esslingen-Teck werden kommende Saison von weiblichen Mannschaften bestritten. Doch nur 15 Prozent der Unparteiischen, ohne die es kein einziges Spiel gäbe, sind Frauen. An Jana Porstendörfer liegt es nicht, dass der weibliche Teil der Unparteiischen auf dem Spielfeld für ein Ungleichgewicht sorgt. 31 Begegnungen hat die 23-Jährige vom TSV Owen in der vergangenen Saison geleitet. Damit liegt sie unter 261 Referees im Handball-Bezirk Esslingen-Teck in den Top Ten – allein unter Männern.

Aus einer Zweckgemeinschaft sind dicke Freundinnen geworden. Jana Porstendörfer und ihre Kollegin Daniela Aierle, die in Kirchheim lebt und für den TSV Köngen pfeift, bilden seit vier Jahren das Vorzeige-Gespann im Nachwuchsbereich des HVW. Beide machen den Job seit ihrem 16. Lebensjahr und beide sind damit äußerst erfolgreich. Im Frühjahr gelang ihnen der Aufstieg in die neu geschaffene Bundesliga der weiblichen A-Jugend, bei den Aktiven ist die Frauen-Württembergliga und die Landesliga der Männer ihr Betätigungsfeld. Sollten sie sich in der neuen Saison weiter bewähren, winkt die Dritte Liga im Frauenhandball. Ein steiler Aufstieg, bei dem bereits beschlossen scheint, wo er enden soll: „Wir wollen irgendwann zu Olympia“, entfährt es beiden im gleichen Atemzug.“

Wer sie reden hört, muss das Bild vom frustgeplagten Unparteiischen revidieren. Die Begeisterung für ihr Hobby durchdringt jeden Satz. „Wir kommen viel rum, wir erleben tolle Spiele, es macht einfach Spaß“, sagt Daniele Aierle, für die seit Jahren jedes Wochenende für den Handballsport reserviert ist. Beide greifen als Spielerinnen noch selbst zum Ball. Jana Porstendörfer im Rückraum des TSV Urach in der Bezirksklasse, ihre Kollegin als Linksaußen beim Bezirksligisten TSV Köngen. Dass für Erfolge mit der Mannschaft immer weniger Zeit bleibt, stört die beiden nicht. „Der Schwerpunkt hat sich inzwischen eben verlagert“, sagt Daniela Aierle.

Dafür machen sie das, was für die Zukunft ihrer Zunft am wichtigsten ist: Sie bilden als Mitglieder im HVW-Lehrstab Neulinge aus. Ihr Rat dort zählt. Welche Tiefen auf dem Weg nach oben lauern, wissen sie am besten. Aber auch, dass es lohnt, dabeizubleiben. „Jugendspiele sind die schlimmsten“, weiß Daniela Aierle. Übermotivierte Eltern, die nicht wissen, wo die Grenze verläuft, die auch nicht zurückschrecken, 14-jährige Anfänger aufs Übelste zu beschimpfen. Das Selbstbewusstsein, das man braucht, um all dem standzuhalten – „Irgendwann hat man es“, sagt die 22-Jährige, die weiß, wovon sie spricht. Als man ihnen im Frühjahr 2012 erstmals ein Männerspiel in der Landesliga anbot, haben sie ohne zu zögern zugegriffen. Das planmäßige Männer-Gespann war kurzfristig ausgefallen, der Verband in Not. Im Landesliga-Derby zwischen dem VfL Kirchheim und dem SKV Unterensingen ging es anschließend beinhart zur Sache. Beide bestanden ihre Feuertaufe mit Bravour und waren fortan gesetzt. „Als Frau muss man sich die Autorität erst erarbeiten“, sagt Jana Porstendörfer. „Man braucht Fingerspitzengefühl und muss auf dem Spielfeld den richtigen Ton treffen.“ Mit Blick zu ihrer 1,58 Meter großen Kollegin meint sie: „Als Dani so einen Zwei-Meter-Riesen vom Platz stellte und der sich vor ihr aufbaute, da wusste ich, dass wir das Spiel gewonnen haben.“

Durchsetzungsvermögen, Entscheidungsfreude, Konzentrationsfähigkeit, das sind Eigenschaften, die auch im wahren Leben zählen. Der Job als Schiedsrichter ist auch eine Art Lebensschule. Daniela Aierle ist im Beruf Maler- und Lackiererin, will zusätzlich BWL studieren. Auf Baustellen hat sie viel mit Männern zu tun. „Ohne Selbstbewusstsein kommst du da nicht weit“, sagt die Kirchheimerin, die von sich selbst behauptet, früher ausgesprochen schüchtern gewesen zu sein. Erfahrungen, die auch ihre ein Jahr ältere Kollegin bestätigen kann, die Deutsch und Philosophie auf Lehramt studiert. Im Praxis-Semester an der Schule vor der Klasse zu stehen – alles kein Problem. „Schüler sind wie Spieler“, vergleicht Jana Porstendörfer. „Sie reagieren auf das eigene Auftreten.“

Als Schülerinnen fühlen sich die beiden nach wie vor selbst, auch wenn sie ihr Wissen inzwischen an den Nachwuchs weitergeben. Das deutsche Elite-Gespann Maike und Tanja Schilha aus Argental dient als Vorbild. „Klar, da will man hin“, sagt Jana Porstendörfer. „Aber nur, wenn wir es tatsächlich verdient haben.“