Lokalsport

„Solange der noch im Amt ist, wird sich nichts ändern“

Fußball-Kenner sprechen mit einer Stimme: Sepp Blatters Rücktritt ist überfällig – Umfrage zum Fifa-Bestechungsskandal

Blattschuss für Blatter: Mit einem lauten Knall endete in dieser Woche das nächste Kapitel im Fifa-Korruptionsskandal. Die Nachricht, dass der zweitmächtigste Sport-Funktionär der Welt nach den schwerwiegenden Bestechungs- und Manipulationsvorwürfen die Brocken hinwerfen und demissionieren wird, ruft hierzulande alles andere als Mitgefühl hervor.

Kirchheim. Die meisten Experten sind sich einig: Die Rücktrittsankündigung von Fifa-Präsident Joseph S. Blatter im Zuge des Korruptionsskandals war überfällig. Noch allerdings sind die Tage des zweitmächtigsten Sport-Funktionärs der Welt hinter IOC-Präsident Thomas Bach nicht ganz gezählt: Bedingt durch die Fifa-Statuten kann Blatters 17-jährige Amtszeit frühestens im kommenden Oktober enden. So gesehen droht der 79-jährige Schweizer bis auf Weiteres zur Lame Duck zu werden, die sich im günstigsten Falle und allen Ermittlungsbehörden zum Trotz noch bis zum außerordentlichen Fifa-Kongress im nächsten Jahr durchmogeln kann – eine für Gerechtigkeitsfanatiker unbefriedigende Situation. Fußball-Kenner(innen) aus der Region verrieten uns, was sie über das derzeitige Tohuwabohu im Weltfußballverband denken – und welche Konsequenzen daraus gezogen werden sollten.

Andreas Buck (47), Versicherungsagent in Geislingen, früherer Bundesliga-Profi und ehemaliger Oberliga-Fußballer des VfL Kirchheim: „Konsequenzen zum derzeitigen Zeitpunkt zu ziehen, ist schwierig. Denn keiner weiß ja wirklich, wie es weitergeht. Das Korruptionsgeflecht innerhalb der Fifa ist so durchwuchert, dass es auf die Schnelle nicht zu lösen ist. Und solange Sepp Blatter im Amt ist, wird sich innerhalb der Fifa sowieso nichts ändern. Über die möglicherweise manipulierten WM-Vergaben in Russland und Katar nachzudenken, macht auch keinen Sinn. Aus rechtlichen Gründen ist es gar nicht möglich, solche Zusagen zurückzunehmen.“

Marianne Mittnacht (64), Managerin bei Frauen-Oberligist FV Faurndau und eine der ersten aktiven Fußballerinnen Württembergs: „Was innerhalb der Fifa abläuft, ist undurchsichtiges Geklüngel. Viele Funktionäre dort haben wohl Dreck am Stecken – siehe WM-Vergabe nach Katar. Jeder hat doch gewusst, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging, doch es gab und gibt halt keine Beweise dafür. Diese Weltmeisterschaft im Winter ist doch ein Witz. Wenn es nach mir ginge, würde die Vergabe sofort zurückgezogen, und die Fifa hätte aus ihrer Kasse die Millionen Euro an Schadenersatz für die Ausrichterverbände zu bezahlen.“

Tobias Unger (35), VfB-Athletiktrainer und früherer Weltklassesprinter: „Ich glaube, dass dem Blatter wohl ein Vögelchen gezwitschert hat, dass auch er unter Verdacht steht – das hat ihn dann zur Rücktrittsankündigung bewogen. Aber ich bin mir sicher, dass Blatter nicht mehr sehr lange im Amt bleiben wird, weil ja auch das FBI ermittelt. Was jetzt passieren muss, ist eine lückenlose Aufarbeitung aller Verdachtsfälle. Wenn Blatter einmal weg ist, wäre meines Erachtens ein Wahlkampf um den Präsidentenposten der richtige Weg – so wie in der Politik. Die Fifa-Delegierten sollten unter einer Vielzahl von Kandidaten auswählen können und den Besten an die Spitze wählen.“

Angelika Matt-Heidecker (61), Kirchheimer Oberbürgermeisterin und erklärter Fußball-Fan: „Blatters Rücktrittsankündigung war überfällig. Was er und seine Mitarbeiter gemacht haben, war nicht sauber. Diese Leute haben in ihren Ämtern Vorbildfunktion. Aberwitzig war die WM-Vergabe nach Katar. Fußball und Weihnachten, das passt nicht zusammen.“

Michael Rentschler (44), Sportlehrer des Württembergischen Fußball-Verbandes (WFV) und Kirchheimer Ex-Trainer: „Sepp Blatter muss seine verbleibende Zeit nutzen, um das zu tun, was er beim Fifa-Kongress in Zürich angekündigt hat – die bekannten Probleme aufzuarbeiten. Innerhalb der Fifa müssen außerdem neue Strukturen und mehr Transparenz zum Beispiel bei der Vergabe von Weltmeisterschaften geschaffen werden. Blatter muss die Altlasten auf den Tisch legen, damit sein Nachfolger später in Ruhe arbeiten kann. Das ist ein erster Schritt. Ein zweiter wäre, dass die Fifa überprüft, ob in Ausrichterländern wie Katar auch die Menschenrechtskonventionen eingehalten werden.“