Lokalsport

Starthilfe und ein Luxusproblem

Den Knights bleibt vier Tage Zeit, um den Moment des Erfolgs ungestört zu genießen

Der große Druck ist erstmal weg. Klar analysieren ohne überheblich zu sein, war für den Basketballtrainer Michael Mai am Samstag die schwierigste Übung. Eine Auftaktniederlage beim Aufsteiger hätte die Knights früh in Erklärungsnot gebracht. Nach dem überzeugenden Sieg in Rhöndorf stellt sich die Frage: Funktioniert das auch gegen stärkere Gegner?

Szenen-Applaus fürs eigene Team: Knights-Coach Michael Mai konnte mit vielem zufrieden sein, was seine Mannschaft im Auftaktspie
Szenen-Applaus fürs eigene Team: Knights-Coach Michael Mai konnte mit vielem zufrieden sein, was seine Mannschaft im Auftaktspiel am Samstag bot.Foto: Zink

Kirchheim. Wer gegenüber Trainern von Pflichtsieg redet, bezieht verbal Prügel. Weil es sich um ein Gebot der sportlichen Fairness handelt aber auch aus Selbstschutz. Der Zeitpunkt ist entscheidend. Wie sehr man den Kontrahenten vorher stark geredet hat, weiß man schließlich erst hinterher. Dass der Aufsteiger aus dem rheinischen Rhöndorf aus Kirchheimer Sicht der perfekte Auftaktgegner war, dem wollte und konnte nach Spielende am Samstag jedenfalls niemand widersprechen. Michael Mai hatte einen Abend lang Gelegenheit, sein neues Defensivkonzept fast ungestört in der Praxis zu erproben, während Rhöndorfs Coach Boris Kaminski vermutlich schon dabei war, die im Anschluss geplante Fete anlässlich seines 38. Geburtstags neu zu überplanen. Nur die Fans daheim, die schauten in die Röhre und ärgerten sich, dass es dort schwarz blieb. Der Grund: das Internet. Genauer gesagt, dessen vorübergehende Abwesenheit im Fachwerk-Städtchen Rhöndorf. Dort, wo schon Konrad Adenauer, der berühmteste Bürger der Stadt, den Briefbogen zückte, wenn er etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Der mit Spannung erwartete Livestream jedenfalls – ein Flop.

Ganz anders die Kirchheimer Rheinerlebnisfahrt. Aufsteiger hin, Gegner her – Was die Knights am Samstag boten, war vor allem defensiv aller Ehren wert. Michael Mai überraschte mit einer konsequenten Ganzfeld-Pressverteidigung, legte damit die Rhöndorfer Schaltzentrale um den starken Pointguard Sterling Carter weitgehend still. Eine Defensiv-Variante, mit der die Knights in den Vorbereitungsspielen kein einziges Mal aufgetreten waren. Die Überraschung ist gelungen, und sie war genau so gewollt. Ob das nun zum wesentlichen Merkmal der Kirchheimer Defensive in dieser Saison werden könnte? „Auf jeden Fall ist es ein Muster, das zu dieser Mannschaft passt“, sagt Michael Mai, „auch wenn es nicht gegen jeden Gegner das richtige Mittel ist.“

Die Dragons traten am Samstag als eine Mannschaft auf die – sollte sich nicht noch Entscheidendes ändern – zu den Abstiegskandidaten gezählt werden muss. Schon am Freitag bei der Heimpremiere gegen Chemnitz wartet ein Gegner anderen Kalibers. Ganz zu schweigen, von dem, was die Knights im Anschlussprogramm erwartet. In den beiden Auswärtsspielen am Sonntag in Jena und die Woche darauf in Vechta lauern die beiden Topfavoriten, die beide Auftaktspiele haushoch überlegen gewonnen haben.

Die Chemnitzer 30-Punkte-Niederlage gegen jene Jenaer ist etwas, das Knights-Geschäftsführer Christoph Schmidt beunruhigt. „Wir haben hoch gewonnen, Chemnitz hoch verloren. Da könnte der Eindruck entstehen, das Spiel wird ein Selbstläufer“, warnt er. Das erste Heimspiel ist immer etwas Besonderes, zumal für eine völlig neue Mannschaft. Die hitzige Atmosphäre in der Sporthalle Stadtmitte, das Bedürfnis, eine gute Show zu bieten, die Enge. Damit geht jeder Spieler anders um. Nicht immer zum Besten.

Bei einem besteht seit Samstag die größte Hoffnung, dass er auch diese Aufgabe locker bewältigen wird: Neuzugang Keith Rendleman war in Rhöndorf die größte Überraschung aus Kirchheimer Sicht. Am Donnerstag erst aus den USA angereist, lieferte der 24-jährige Forward praktisch aus dem Stand nach nur eineinhalb Trainingseinheiten in 19 Minuten Spielzeit einen Effektivitätswert von 27 Zählern ab. Sollte das kein Strohfeuer gewesen sein, darf man den Knights zu einem echten Glücksgriff gratulieren. „Wie schnell er in dieser kurzen Zeit die Systeme verinnerlicht hat, das hat uns schon sehr überrascht“, gesteht Christoph Schmidt.

Er und der Trainer haben damit nun allerdings ein ganz anderes Problem: Entpuppt sich Rendleman wie am Samstag angedeutet als Volltreffer, stellt sich die Frage nach der Zukunft Dennis Tinnons, sollte der nach seiner Verletzung zügig aufs Parkett zurück kehren. Für den mit Pauken und Trompeten empfangenen Superstar der vorvergangenen Saison wäre plötzlich kein Platz mehr. Besser gesagt: kein Geld. „Beide sind zum jetzigen Zeitpunkt für uns nicht finanzierbar“, stellt Christoph Schmidt klar. „Wir haben Keith geholt, um Dennis zu ersetzen.“ Das ließe sich frei übersetzen: Leistet sich Rendleman keine auffällige Schwäche und bleiben andere gesund, muss Tinnon gehen. So läuft das Geschäft.

Fest steht bisher nur: Dennis Tinnon wird aufgrund seines im Spiel gegen Crailsheim erlittenen Bänderrisses im Ellbogen für mindestens weitere vier Spiele ausfallen. Bis dahin wird man vermutlich wissen, wieviel Belastbares im Kirchheimer Sieg in Rhöndorf steckte. „Um die Realität in diesem Jahr zu kennen, dafür ist es noch viel zu früh“, meint Michael Mai. Das mag damit zu tun haben, dass der Coach auch in der Stunde des Erfolgs am Samstag Schwachstellen ausmachte. 15 Ballverluste und fast ebenso viele verschenkte Offensiv-Rebounds, die der Trainer auf dem Zettel hatte, sind zuviel. „Daran müssen wir arbeiten“, sagt Mai, der weiß, dass vieles davon dem hohen Tempo geschuldet ist. „Die Fehler müssen wir abstellen“, sagt er. „Das Tempo bleibt.“