Den richtigen Zeitpunkt für einen Abstieg gibt es nicht. Trotzdem haben Niederlagen im Mannschaftssport, was Zeitpunkt und Umstände betrifft, ein ganz individuelles Frustpotenzial. Für Fabian Gutbrod war der 10. Juni, der letzte Spieltag in der Handball-Bundesliga, ein Tag, der bis heute nachwirkt. „Auch mit fast drei Wochen Abstand ist es immer noch nicht einfach“, sagt er. „Die Enttäuschung ist schon riesengroß.“
Mit dem Bergischen HC hat er sich an diesem Samstag aus der ersten Liga verabschiedet. Wie zum Hohn mit einem verdienten Heimerfolg gegen den Tabellenelften aus Hannover. Der letzte von acht Siegen in der Rückrunde, in der die Löwen aus dem Bergischen eine grandiose Aufholjagd betrieben. Das Halali ertönte im Februar nach dem 30:29-Sieg bei den Berliner Füchsen. Der BHC holte satte 17 Punkte in 15 Spielen. Am Ende besiegelte das schlechtere Torverhältnis gegenüber den punktgleichen Gummersbachern den Abstieg nach vier Jahren Bundesliga.
Nur fünf Zähler aus der kompletten Hinserie - „das war eine Hypothek, die einfach zu schwer wog“, sagt Fabian Gutbrod. Wie schon so oft hatte die Mannschaft mit gewaltigem Verletzungspech zu kämpfen. Zeitweilig fehlte der komplette Rückraum. Gutbrod selbst gehörte mit zu den Unglücksraben. Erst verpasste er den Saisonstart, im Winter warf ihn eine Sehnenverletzung in der Schulter erneut aus dem Rennen. Es wurde trotzdem seine Saison. 92 Feldtore in 23 Spielen - siebenmal traf er im April beim Heimsieg gegen Frisch Auf. Der Zwei-Meter-Mann aus Owen war endgültig angekommen im Handball-Oberhaus. Als schwer ersetzbare Kraft im linken Rückraum.
Und nun das: Der neue Vertrag, den er vor vier Monaten mit dem BHC unterzeichnete, hat einen einzigen Haken. Er gilt auch für die zweite Liga und bedeutet nicht weniger als den Absturz im Leistungszenit. Für den Hünen mit der blonden Mähne der Super-Gau, wenn man so will. Doch Gutbrod zeigt sich auch im Moment des maximalen Frusts als fairer Sportsmann: „Ich habe diese Entscheidung bewusst getroffen und stehe dazu“, sagt er. „Wir haben uns die Suppe gemeinsam eingebrockt, jetzt löffeln wir sie gemeinsam eben wieder aus.“
Dass er sich in Solingen und Umgebung wohlfühlt, dort einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden hat, macht die Sache leichter. Hier lebt seine Freundin, hier schmiedet er Pläne für die Zukunft nach dem Leistungssport. Kommenden März legt er vor der Ärztekammer seine letzte Prüfung als angehender Heilpraktiker ab. Eine Sicht auf Zusammenhänge im menschlichen Körper, die auch im Spitzensport immer häufiger gefragt ist. In der Familie hat er zuletzt versucht, Abstand zu gewinnen. Mit Geschwistern und Eltern beider Seiten in der Toskana. Momentan ist er zu Besuch daheim in Owen, bevor am 12. Juli die Vorbereitung auf die neue Saison in der zweiten Liga beginnt. Statt in Flensburg vor 8 000 Zuschauern zu spielen, heißen die Gegner dann Konstanz, Bietigheim oder Aue. Die sofortige Rückkehr ist das Ziel. Leicht wird es nicht, weil es im kommenden Jahr nur zwei Aufsteiger geben wird. „Auch mental wird das eine Herausforderung“, sagt Fabian Gutbrod. „In 90 Prozent der Spiele werden wir Favorit sein“, sagt er. „Bisher war das genau umgekehrt.“