Lokalsport

Steimle sprintet in Weltspitze

Radsport Der 22-jährige Weilheimer wird am Hinterrad von Marcel Kittel Achter bei Rund um Köln und steckt bei der U23-DM am Sonntag plötzlich in der Favoritenrolle. Von Bernd Köble

Ein Bild, das man in Zukunft häufiger sehen könnte: Jannik Steimle (Zweiter von rechts mit roter Brille) am Hinterrad von Marcel
Ein Bild, das man in Zukunft häufiger sehen könnte: Jannik Steimle (Zweiter von rechts mit roter Brille) am Hinterrad von Marcel Kittel. Vorne jubelt Rund-um-Köln-Sieger Sam Bennet.Foto: pr

Bei Präsidentschaftswahlen in den USA gibt es den Super-Tuesday, die Österreicher vom Team Vorarlberg haben seit dieser Woche ihren Super-Sonntag, und schuld daran ist ein 22-jähriger Jungprofi aus Weilheim. Dass die Entwicklungskurve steil nach oben zeigt, hat Jannik Steimle in den vergangenen Wochen dick unterstrichen: Dritter der Gesamtwertung bei Paris-Arras, Gesamt-Sechster bei der Flèche du Sud in Luxemburg, und jetzt: Beim traditionsreichen deutschen Rad-Klassiker Rund um Köln sprintete der Weilheimer am Sonntag mitten hinein in die Weltspitze. Beim Triumph des zweifachen Giro-Etappensiegers Sam Benett (Team Bora-Hansgrohe) wurde Steimle nach 207 Kilometern am Hinterrad von Top-Sprinter Marcel Kittel Achter und damit drittbester Deutscher hinter Kittel und Aaron Grosser (Team Sauerland). Nicht Rick Zabel oder die beiden Lokalmatadoren Nils Politt und Christian Knees mischten im Sprint an der Spitze mit, sondern ein Newcomer im Dress eines drittklassigen Rennstalls aus Österreich.

Entsprechend euphorisch zeigte sich Teammanager Thomas Kofler: „Was heute passiert ist, kommt nicht alle Tage vor.“ Das Glück der Vorarlberger perfekt machte der junge Schweizer Lukas Rüegg, der sich im Rennen die Bergwertung sicherte. Für Steimle war es der erste Auftritt vor richtig großer Kulisse mit Tausenden Fans an der Zielschleife über die Severinsbrücke. „Ich hatte anfangs großen Respekt, jetzt bin ich einfach nur glücklich“, meinte Jannik Steimle, der nach einem extrem harten Rennen mit viel Nervosität und zahlreichen Stürzen 40 Kilometer vor dem Ziel einen körperlichen Tiefpunkt erlebte. Ähnlich erging es mit Marcel Kittel (Katusha Alpecin) einem der Top-Favoriten auf den Sieg. Beide fielen zunächst zurück. Der Weilheimer, der auf den letzten Kilometern auf sich alleine gestellt war, profitierte dann vom Katusha-Zug, der seinen Top-Mann Kittel wieder an die Spitze heranführte. 800 Meter vor dem Ziel lag Steimle aussichtsreich an fünfter Position, fuhr die letzten 400 Meter dann aber zu früh im Wind und musste am Ende Lehrgeld bezahlen.

Bei der U23-DM am kommenden Sonntag in Unna zählt er nun plötzlich zum engen Kreis der Favoriten. Eine Tatsache, die dem 22-Jährigen nicht unbedingt schmeckt. „Logisch, jetzt haben mich alle auf der Rechnung“, sagt er und meint trotzig: „Ich weiß, was ich kann. Ich weiß, dass ich diesen Titel holen kann.“ Bis vergangene Woche galt Titelverteidiger Max Kanter (Team Sunweb Development) als der große Favorit neben Bundesliga-Spitzenreiter Jonas Rutsch (Team Lotto Kern-Haus). Steimle, der mit den Österreichern im Frühjahr überwiegend bei Rennen auf dem Balkan und in Benelux präsent war, ist hierzulande bisher wenig in Erscheinung getreten und könnte am Sonntag aus dem Hintergrund ins Rampenlicht fahren.

Die Strecke im westfälischen Unna ist flach, ein Kurs für Sprinter. „Eigentlich zu einfach“, meint Jannik Steimle, der im vergangenen halben Jahr seine Kletterkünste stark verbessert, Gewicht verloren und sich vom klassischen Sprinter zum Allrounder entwickelt hat. Die Folge: Die Wattspitzen auf den letzten Metern fehlen. „Ich hoffe, dass der Wind am Sonntag eine Rolle spielt“, sagt er deshalb. Der Startschuss am Schloss Opherdicke bei Holzwickede fällt um 11.30 Uhr.